Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer untot

Für immer untot

Titel: Für immer untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
Vom Netzwerk:
nur in der Phantasie eines französischen Dichters im Mittelalter existiert. Einen Codex gab es nicht.
    Die einzige Ausnahme bildete Manassier, der eigene Gründe dafür gehabt hatte, uns einem Phantom nachjagen zu lassen. Bisher hatten unsere Gesprächspartner entweder nicht reden wollen oder nicht reden können, weil sie nichts wussten – oder sie erhofften sich die Chance, auf Kosten von zwei verzweifelten Trotteln schnell reich zu werden. Ich war schon vorher der Panik nahe gewesen, und Rafes Kummer half mir nicht.
    »Bitte, Cassie!« Seine Stimme vibrierte, und mein Magen verkrampfte sich, als er mich todunglücklich ansah. Bei jemand anders – das heißt, bei einem anderen Vampir – hätte dieser Blick meine paranoiden Instinkte geweckt, aber solche Manipulationsversuche passten nicht zu Rafe. Zumindest hatte er noch nie zu derartigen Mitteln gegriffen, und ich glaubte, dass seine grundlegenden Verhaltensmuster in den vergangenen vierhundert Jahren feste Strukturen angenommen hatten.
    »Glaub mir, ich habe den Gegenzauber nicht«, sagte ich sanfter. »Vielleicht in ein paar Wochen…«
    »In ein paar Wochen bin ich tot!«, entfuhr es Rafe.
    Für einen Moment schien die ganze Welt zu schwanken. In meinen Ohren rauschte es, und die Wände der Bar schienen näher zu kommen, mir die Luft zum Atmen nehmen zu wollen. Der schwere Bass des Pulsschlags im Purgatorium schien zwischen meinen Schläfen zu erklingen.
    Rafe sah mich ernst an. »Es tut mir leid, Cassie. Ich wollte es eigentlich nicht sagen.«
    Für einen Moment erwiderte ich einfach nur seinen Blick, und Verstehen fauchte wie ein weißer Blitz durch mein Bewusstsein. Ich hatte gewusst, dass der Zauber bösartig war – meine eigenen Reaktionen boten einen klaren Hinweis darauf –, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so weit ging. Mircea war ein Meister der ersten Stufe. Von solchen Vampiren gab es nur eine Handvoll auf der ganzen Erde, und es war fast unmöglich, sie zu töten. Die Vorstellung, dass Rafe wegen dieses Zaubers, der nicht einmal als Waffe konzipiert worden war, sterben konnte, erschien mir völlig verrückt.
    »Da muss ein Irrtum vorliegen«, sagte ich schließlich. »Ich weiß, dass du leidest, aber…«
    »Ich leide nicht, mia Stella, ich sterbe«, flüsterte er.
    »Aber wenn ich zu ihm gehe, mache ich alles nur noch schlimmer!«
    Rafe verzog das Gesicht. »Die Konsulin hat Fachleute aus allen Teilen der Welt herbeigerufen, und du weißt, dass sie sie nicht belügen würden.«
    Das wusste ich tatsächlich. Die Konsulin führte den Vorsitz des Vampirsenats und war vermutlich das Mitglied, vor dem alle am meisten Angst hatten. »Ich habe gehört, wie einer der Experten zu ihr gesagt hat, dass es mich befreien könnte, wenn du den Zauber vervollständigst. Er wusste von keiner anderen Möglichkeit, mir meine Freiheit zu geben.«
    »Ich finde eine«, versprach ich ihm und fühlte mich elend.
    Meine Weigerung schien Rafe wirklich zu verwirren. Als wäre es überhaupt keine große Sache, mich aufzufordern, ein ganzes Leben der Sklaverei zu riskieren. »Diesmal hast du bestimmt nichts zu befürchten. Mircea würde dir nichts tun . .«
    »Darum geht es nicht! Wie sehr hat es dir gefallen, Tonys ewiger Laufbursche zu sein?«
    »Mircea ist ganz anders als der bastardo Antonio«, sagte Rafe entsetzt.
    Ich schüttelte verärgert den Kopf. Nein, Mircea war nicht Tony, trotz des Geis und allem anderen – das wusste ich. Aber er war ein Vampir. Und einer Sache konnten Vampire nicht widerstehen: Macht. Wenn der Geis Mircea Kontrolle über mich gab, würde er Gebrauch davon machen. Und wie bei Tony hätte ich dabei nicht das geringste Mitspracherecht.
    Tony wollte mich vor allem deshalb tot sehen, weil ich ihn ans FBI verpetzt hatte. Es hatte eine ganze Reihe von Gründen für mich gegeben, der Bundespolizei einen Tipp zu geben, und ganz oben auf der Liste stand die Tatsache, dass er meine Visionen benutzt hatte, um herauszufinden, wo es demnächst zu Katastrophen kam – für ihn gute Gelegenheiten, einen ordentlichen Reibach zu machen. Ich war damals so naiv gewesen zu glauben, dass er entsprechende Informationen wollte, um die Menschen zu warnen, denen ein Unglück bevorstand. Als mir klar geworden war, wozu er sein Wissen tatsächlich benutzte, hatte ich geschworen, mich nie wieder auf diese Weise benutzen zu lassen, von niemandem.
    Ich schluckte und wusste, dass die nächsten Worte nicht leicht sein würden. Aber ich musste die Frage stellen.

Weitere Kostenlose Bücher