Für immer untot
Rafe wusste niemand von ihnen, wo ich war.
»Woher soll ich das wissen?« Es blitzte in Augustines Augen. »Warum höre ich nicht mit allem auf, das ich wenige Sekunden vor Beginn der Show mache, um mich deinen schmuddeligen Freunden zu widmen, die nicht einmal auf der Gästeliste stehen?«
Ich antwortete nicht sofort, weil die Handtasche mir ein Schnippchen zu schlagen drohte. Ihr waren bereits vier Stummelbeine und eine Schnauze mit vielen Zähnen gewachsen. Jetzt ragte hinten auch noch ein von harten Schuppen bedeckter Schwanz heraus, und damit konnte sie sich aus meinem Griff befreien. Sie fiel zu Boden und jagte einem Schlangeniedergürtel hinterher. Der Gürtel versuchte wegzukriechen, aber die Handtasche erwischte sein Ende und verschlang das sich windende Ding.
Mit Francoises Hilfe hielt ich das widerspenstige Modeaccessoire auf dem Boden fest und wickelte ein Tuch um die Schnauze. »Wie sehen sie aus?«
»Das ist es ja«, erwiderte Augustine scharf und schüttelte seine Locken. »Sie sehen aus wie billige Indiana-Jones-Imitate. Vom Geruch ganz zu schweigen. Sorg dafür, dass sie verschwinden. Sofort.« Er zog beleidigt davon.
Ich äugte hinter dem Vorhang hervor, der die Garderobe vom Laufsteg trennte, und hielt nach den Besuchern Ausschau. Der Saal war voller herausgeputzter Hexen. Man hätte meinen können, dass hier eine Versammlung großer Hüte stattfand, denn zuerst sah ich nur zahlreiche bunte Kreise, die sich wie Blumen im Wind hin und her neigten. Wohin ich auch blickte, überall sah ich Kleidung, die höchstens nach viel Geld roch, und gegen einen derartigen Geruch hatte Augustine bestimmt nichts einzuwenden. Dann setzten sich einige Hexen, die mir die Sicht versperrt hatten, und daraufhin entdeckte ich sie.
Augustine irrte sich. Es waren keine Freunde.
Die Musik begann, und das erste Model stieß mich mit dem Ellenbogen beiseite und glitt auf den Laufsteg, begleitet von einer Leopardenfell-Handtasche. Ich bemerkte es kaum – mein Blick galt den beiden Gestalten, die sich durch die Hintertür gezwängt hatten. Ich erkannte sie nicht, wusste aber, was sie waren. Ihre weiten Mäntel boten einen deutlichen Hinweis: Kriegsmagier. Und so schmuddelig sie auch sein mochten, sie waren bestimmt nicht gekommen, um sich andere Klamotten zuzulegen.
Sie sahen sich lässig um, und ich hatte diesen beiläufigen Blick oft genug bei Pritkin gesehen, um zu wissen, dass sie alles mit großer Aufmerksamkeit beobachteten. Ich wich etwas weiter in den Schatten des Vorhangs zurück und fragte mich, ob ich unbemerkt springen konnte, als einer der beiden dem anderen einen Stoß gab und in Richtung einiger schmutziger, schlecht gekleideter Kinder nickte, die sich an der Wand zusammendrängten. Mit grimmigen Mienen setzten sich die beiden Magier in Bewegung, und die Kinder liefen los. Die meisten Gäste hatten inzwischen Platz genommen, und so stand niemand zwischen den Kindern und den Magiern, abgesehen von einem aus zwei Vampiren bestehenden Begrüßungskomitee.
Zwischen Kreis und Senat gab es wegen des Krieges ein neues Bündnis, das aber keineswegs Jahrhunderte der Abneigung und des Misstrauens ausräumte.
Hinzu kam, dass erst vor einer guten Woche Magier das Kasino angegriffen hatten. Die Vampire lächelten frech und traten den Kriegsmagiern in den Weg.
Die Kinder waren durch den Gang an der Wand gelaufen und kletterten auf die Bühne. Die Aufmerksamkeit der meisten Leute galt dem Laufsteg, der bis in die Mitte des Raums reichte, und so ernteten die Kids nur einige wenige verwirrte Blicke. Sie huschten sofort hinter den Vorhang, verharrten aber am Rand der hektischen Aktivität.
Ihre Blicke wechselten zwischen mir und mehreren blonden Models, die sich in ihre Sachen wanden. Dann stieß ein schwarzer Junge von etwa vierzehn Jahren ein kleines Mädchen mit dem Ellenbogen an und fragte: »Welche ist es?«
Das Mädchen hatte spülwasserblondes Haar und große braune Augen, die mich abschätzend ansahen. »Die da.« Sie streckte die eine Hand aus; die andere hielt einen ziemlich mitgenommen wirkenden Teddybär.
Die Handtasche in meinen Armen bewegte sich plötzlich, und fast hätte ich sie fallen gelassen. Françoise sagte etwas, das nicht französisch klang, und ich erstarrte, als nur ein oder zwei Zentimeter eine glänzende schwarze Kralle von meinem Gesicht trennten. »Soll ich das Krokodil nehmen?«, fragte sie.
»Guter Vorschlag.« Dankbar überließ ich ihr das verdammte Ding.
Der schwarze Junge wandte
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