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Für immer untot

Für immer untot

Titel: Für immer untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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sich skeptisch an das Mädchen. »Bist du sicher?«
    Die Kleine nickte und fuhr damit fort, am Kopf des Teddybären zu knabbern.
    Der Junge näherte sich und streckte die Hand aus. Sein T-Shirt war dünn und voller Löcher, die Jeans am einen Knie aufgerissen. Einer der beiden Turnschuhe hatte den Schnürsenkel verloren und wurde von einer Sicherheitsnadel zusammengehalten. Ein schäbiges Sweatshirt war um die Taille gebunden. Doch sein Händedruck war fest, und er sah mir in die Augen.
    Ich hatte ein seltsames Deja-vu-Gefühl, noch bevor er sprach.
    »Ich bin Jesse. Tami schickt uns.«
    »Tami?«
    »Tami Hodges.«
    Ich starrte ihn an und hatte das Gefühl, gerade einen Schlag in den Magen bekommen zu haben. Er starrte zurück, mit Trotz in den dunklen Augen.
    Vielleicht rechnete er damit, dass ich ihm keine Beachtung schenkte, oder ihn zurückwies und den Wölfen zum Fraß vorwarf. Ich erkannte den Blick. Vor zehn Jahren war ich etwa in seinem Alter gewesen, und genauso verängstigt und trotzig und davon überzeugt, niemandem trauen zu können. Womit ich größtenteils recht gehabt hatte.
    Jahre vor meinem Entschluss, Tony zu erledigen, hatte sich mein Ehrgeiz darauf beschränkt, von ihm wegzukommen. Dieser Wunsch hatte mich nach Chicago gebracht, denn dort war die Endstation des Busses, in den ich gestiegen war. Ich hatte Tonys Anwesen außerhalb von Philly nur selten verlassen dürfen, und dann auch nur in Begleitung von einem halben Dutzend Leibwächtern, und die neue Freiheit, so ganz allein, erschreckte mich. Ich hatte Geld, was ich einem großzügigen Freund verdankte, aber eine ordentliche Unterkunft kam für mich kaum infrage – ich fürchtete zu sehr, eines Morgens in der Gesellschaft von Tonys Halunken aufzuwachen. Außerdem war es für eine Vierzehnjährige recht schwer, allein in einem Hotel abzusteigen. Also blieben mir nur Obdachlosenasyle.
    Ich fand bald heraus, dass es in Hinsicht auf das Leben in Obdachlosenheimen einige Probleme gab. Von Betrunkenen, Drogenabhängigen und Messerstechereien einmal abgesehen: Der Aufenthalt in solchen Heimen war zeitlich begrenzt. Dort, wo man länger bleiben durfte, arbeiteten Leute, die eine Vierzehnjährige den Behörden gemeldet hätten, und deshalb neigte ich zu der Zwei-Wochen-Version. Das war lange genug, um mich einigermaßen bequem einzurichten, aber nicht so lange, dass mich jemand genauer kennenlernte.
    Doch in den meisten Asylen dieser Art wurde Buch geführt, und wenn man einmal dort gewesen war, durfte man die nächsten sechs Monate nicht wiederkommen. Schließlich endete ich in einem so überbelegten Heim, dass ein Drittel von uns auf dem umzäunten Hof campieren musste. Abends bekamen wir einen Schlafsack und die Aufforderung, wir sollten uns draußen einen Platz suchen. Die größeren und tafferen Leute beanspruchten die Stellen mit Gras und weichem Boden, und die harten Betonflächen blieben den Neuankömmlingen, Junkies und der alten Frau vorbehalten, die die ganze Nacht vogelartige Geräusche von sich gab.
    Einmal hatte ich morgens beim Aufwachen einen kalten Arm neben meinem gefühlt – er gehörte einem Burschen, der sich in der Nacht den goldenen Schuss gesetzt hatte. Am gleichen Tag tauchte Tami auf. Es war eine ihrer Touren, bei denen sie nach Kids suchte, die durch Ritzen in der magischen Welt gefallen waren. Als eine hübsche Afroamerikanerin mit freundlichen braunen Augen und einer Stimme, die für ihre zierliche Statur irgendwie zu groß wirkte, mir eine Bleibe anbot, brauchte sie kaum Überzeugungsarbeit zu leisten. Nur einige Minuten später stapfte ich mit meinem Rucksack zu ihrem verbeulten Chevy.
    Zum Glück erwies sich Tami als okay, und sie brachte mich zu einer bunt zusammengewürfelten Schar anderer Streuner, die sich aus Spaß »Misfit Mafia« nannten, die Mafia der Außenseiter und Sonderlinge. Zuerst hielt ich den Namen für seltsam, aber nach einer Weile fand ich ihn irgendwie angemessen und passend. Ich war von einer Mafia weggelaufen und bei einer anderen angekommen, mit einem wichtigen Unterschied: Die neue Mafia versuchte, Leute am Leben zu erhalten, anstatt sie ins Grab zu schicken.
    Schließlich verließ ich die Gruppe und kehrte zu Tony zurück, mit der Absicht, ihn zu ruinieren, und als ich alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte, waren drei Jahre vergangen. Dann kam es zu dem Riesenkrach, der Pate verschwand, und auf mich war ein Kopfgeld ausgesetzt, nicht zu verwechseln mit dem, das der Kreis vor kurzer Zeit

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