Für immer untot
Hexen schienen ein schlechtes Zeichen zu erkennen, wenn sie eins sahen.
Die Magier versuchten nicht länger, freundlich zu sein, hielten Casanova ihre Ausweise vor die Nase und liefen dann durch den Gang. Etwa zur gleichen Zeit traf etwas Grünes und Schleimiges den Laufsteg. Ich erhielt keine Möglichkeit, es zu identifizieren, denn viele andere Dinge folgten und platzten wie Popcorn aus den dunklen Wolken. Das hübsche Chiffonkleid des aktuellen Models verlor seinen pfirsichfarbenen Ton und gewann ein zorniges Dunkelgrün, was gut zu der Kröte passte, die der jungen Dame auf die Schulter gefallen war.
Sie schrie, als ihr ein Teil der Kröte als Schleim über die Brust rann, und taumelte auf dem Laufsteg zurück. Da inzwischen viele aufgeplatzte kleine Körper darauflagen, war es unvermeidlich, dass sie ausrutschte und auf ihrem Hintern landete.
Von da an ging’s bergab.
Schutzzauber wurden von allen Seiten abgefeuert, und wo sie auf die Kamikaze-Amphibien trafen, entstanden fleischige Feuerwerke in der Luft. Das mehrte den Unmut der Hexen in der Mitte des Raums, die von Kröten-Innereien regelrecht bespritzt wurden, und sie wandten sich zornig gegen ihre Kolleginnen. Dadurch kamen die Magier langsamer voran, aber ich beobachtete, wie sie grimmig und entschlossen durch das Chaos stapften und sich uns näherten.
»Gibt es noch mehr von euch?«, fragte ich Jesse.
Er sagte etwas, aber ich verstand nichts, weil es gerade ziemlich laut wurde – die Stühle des Publikums schmetterten gegen die Magier. Vom Wind fortgezerrt und von explodierenden Zaubern durch den Saal geschleudert, trafen sie auch viele andere Dinge. Aber die Magier waren die Einzigen, die unter einem Berg aus teuer bemaltem Holz verschwanden – offenbar waren sie auf einen Hexenfuß zu viel getreten.
»Was?«
»Nein!«, rief mir Jesse ins Ohr. »Wir sind die Einzigen, die abhauen konnten!«
»Okay. Lass uns erneut abhauen.«
Sechs
Miranda warf einen Blick auf mein Kleid, dessen Farbmuster jetzt dem Durcheinander von aufgewirbelten Herbstblättern entsprachen, und legte die Ohren an. Es kam mir gelegen, dass sie auf diese Weise einen Hinweis auf ihre Stimmung bot, denn es war mir immer schwergefallen, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Was vielleicht an dem Pelz in Mirandas Gesicht lag, oder daran, dass sich die Gargoyle-Mimik von der menschlichen unterschied.
Die gegenwärtige Gruppe von Misfit-Sonderlingen drängte sich hinter mir zusammen und hinterließ schmutzige Fußabdrücke auf Mirandas weißem Fliesenboden. Ich hatte meine Schützlinge zur Zimmerservice-Küche gebracht, da ich nicht wusste, wo Miranda wohnte. Sie war die Anführerin der Gruppe von Dunkelelfen, die Tony als billige Arbeitskräfte benutzt hatte. Ich hatte gesehen, wie sie schufteten, wie sie Essen mit übernatürlicher Geschwindigkeit zubereiteten und beladene Servierwagen durch die Flure des Dante’s schoben.
Sie hielten nur inne, um für Fotografen zu posieren, zusammen mit Gästen, die sie für verkleidete Liliputaner hielten. Ich fragte mich, ob jemand bemerkt hatte, dass die Fotos immer ein wenig verschwommen waren, und dass es schwerfiel, die kleinen Arbeiter genau im Auge zu behalten. Tony hatte ein Vermögen in den Schutz des Kasinos investiert, was vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre, wenn man bedachte, wie viel Alkohol die Gäste konsumierten.
Ich bezweifelte, ob er bei der Unterbringung seiner Arbeiter ebenfalls so großzügig gewesen war, und deshalb erwartete ich vielleicht eine ganze Menge von Miranda.
Eins der Kinder – ein Mädchen, das wie zwölf aussah, aber sechzehn war, wie ich später erfuhr – hielt ein Baby in den Armen. Es mochte etwa vier Monate alt sein und wirkte wie zerknautscht, trug ein rosarotes T-Shirt mit Windeln und nur eine Socke. Die eine Wange hatte sich gerötet, weil sie an die Brust des Mädchens gedrückt gewesen war. Ich wollte gerade mit meiner sorgfältig vorbereiteten Rede beginnen, als Miranda lächelte und dabei lange, spitze Reißzähne zeigte. Ihr Blick galt nicht mehr mir.
Ich drehte mich um und stellte fest, dass mehrere Gargoyles sich bis auf Armlänge an das Mädchen herangeschoben hatten. Die junge Mutter warf mir einen flehentlichen Blick zu und hielt das Baby fester. »Sie tun ihm nichts«, versicherte ich ihr. »Sie mögen Babys.«
Es war eine lächerliche Untertreibung, was immer deutlicher wurde. Eine der größeren Gargoyles, mit einem Hundekopf über der makellosen weißen Chefkochweste, lief
Weitere Kostenlose Bücher