Fuer immer vielleicht
Schokoladenkuchen allein aufgegessen. Das ist nämlich Garys Lieblingskuchen, den ich zufällig für ihn gekauft hatte. Nach der Hälfte war ich nur noch ein bisschen sauer, und während ich mir die letzten Gabelladungen in den Mund geschaufelt habe, konnte ich schon wieder einigermaßen vernünftig nachdenken. Ich schmiedete also einen Plan, wie ich diese andere Frau zum Essen einladen und vergiften könnte.
Zuerst mal musste ich rausfinden, wer sie war und warum Gary mich ihretwegen verlassen hatte. Wie sich herausstellt, ist sie Ende zwanzig, kommt aus Spanien, unterrichtet Spanisch an der Schule (da hat Gary sie kennen gelernt, er arbeitet da als Wartungstechniker), ist schlank, hübsch und eine tolle Person.
Rosie: Also verkörpert sie all das, was du normalerweise aus tiefstem Herzen hasst, richtig?
Ruby: Normalerweise ja. Aber diesmal ist alles anders, weil sie und mein Gary verliebt sind.
Rosie: Oooooh!
Ruby: Ich weiß! Ist das nicht toll? Deshalb hatte ich auch kein Problem damit, einen Schritt zurückzutreten und meine Tanzschuhe an den Nagel zu hängen. Ehrlich gesagt wollte ich mich sowieso über kurz oder lang von Gary trennen. Ich bin jetzt bald fünfzig und möchte lieber mit einem Mann in meinem Alter tanzen, mit einem, der nicht ganz so viel überschüssige Energie hat und mich nicht ständig quer übers Tanzparkett schleudert. Das verkrafte ich einfach nicht mehr. Ich bin total glücklich, dass Gary endlich jemanden gefunden hat. Vielleicht bringt María ihn dazu, dass er bei mir aus- und bei ihr einzieht.
Rosie: Würde dich das nicht aufregen?
Ruby: Ungefähr so, wie wenn ich eine Million Euro unterm Bett finden würde. Der Junge muss endlich kapieren, dass er ein erwachsener Mann ist. Er muss ausziehen. Ich kann ihm nicht ewig das Essen kochen und die Wäsche waschen. Aber genug von mir. Wie geht’s deiner Mum?
Rosie: Nicht so gut. Ihre Arthritis ist so schlimm geworden, dass sie sich vor Schmerzen kaum rühren kann. Als sie mit Dad rumgereist ist, war es nicht so schlimm, weil es da immer warm war. Aber der kalte Winter in Connemara bekommt ihr ganz und gar nicht. Trotzdem will sie nicht wegziehen. Ich mach mir echt Sorgen um sie. Ständig muss sie wegen irgendeiner neuen Infektion ins Krankenhaus, oder sie hat plötzlich Schwierigkeiten mit Organen, von denen ich noch nie was gehört habe. Es ist fast, als hätte ihr Körper aufgegeben, als Dad gestorben ist. Ruby: Aber sie ist zäh, Rosie, sie wird sich wieder aufrappeln.
Rosie: Hoffen wir’s.
Ruby: Und wie sieht’s im Hotel Rattenloch aus?
Rosie: Ha! Na ja, mit denen werde ich mich wohl nicht mehr viel länger rumärgern müssen, ich gehe Ende des Monats.
Ruby: Das sagst du jeden Monat und tust es dann doch nicht.
Rosie: Ich hab einfach keine Zeit für Jobsuche zwischen meiner Arbeit und den ständigen Fahrten zu Mum und wieder zurück. Ich meine, wann haben wir uns zum Beispiel das letzte Mal gesehen?
Ruby: Gestern.
Rosie: Na ja, da bist du an der Bushaltestelle vorbeigebrettert, hast auf die Hupe gedrückt und gewinkt. Jedenfalls ist es mindestens einen Monat her, seit ich das letzte Mal in Ruhe abends weggegangen bin. Ich hab kein Leben. Ich möchte schrecklich gern Katie besuchen, und Alex hat mich auch schon ein paar Mal eingeladen, aber wegen Mum kann ich nichts unternehmen – versteh mich nicht falsch, ich beschwer mich nicht darüber.
Ruby: Wenn es deiner Mutter wieder besser geht, wird alles viel leichter für dich.
Rosie: Ich glaube nicht, dass es ihr jemals wieder besser gehen wird, Ruby. Sie will nicht mehr, sie wartet nur noch, bis es vorbei ist. Inzwischen sitzt sie fast nur noch im Rollstuhl, und dabei ist sie doch grade erst achtundsechzig.
Ruby: Sag deinem faulen Bruder Kevin, dass er dir hilft.
Rosie: Was soll er denn tun? Er wüsste ja nicht, wo anfangen. Außerdem ist es Mum lieber, wenn ich bei ihr bin. Ich muss das irgendwie durchstehen.
*
Lieber Josh!
Jetzt bist du ein Teenager!
Herzlichen Glückwunsch zum 13. Geburtstag
und alles Liebe,
Rosie
Liebe Rosie,
herzlichen Dank für das Geschenk und die Karte. Echt cool. Sag Katie hi von mir. Keine Ahnung, wo sie sich grade rumtreibt, sie schickt mir Postkarten aus den verschiedensten Ländern. Ihr Job ist ja so was von cool! Aber ich hör gar nichts mehr von ihrem Freund Toby. Jedenfalls danke für das Geschenk. Davon kann ich mir ein neues Computerspiel kaufen.
Bis bald,
Josh
Liebe Mum,
hallo, ich bin in Amsterdam und hab einen süßen
Weitere Kostenlose Bücher