Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
hatte Rasmus meinen Gesichtsausdruck gesehen, ließ er mich los, als hätte er sich verbrannt. „Hör zu, das ist nicht …“
„Das ist nicht so, wie es scheint?“, fiel ich ihm ins Wort. „Im Ernst? Diese Schiene willst du jetzt fahren?“ Ich hätte nicht gedacht, dass in meinem Gefühlschaos noch Platz für Wut blieb, doch auf einmal war sie da, schäumte über und spülte sogar meine Tränen fort. Noch bevor Rasmus reagieren konnte, schleuderte ich ihm entgegen: „Also das hattest du im Sinn, als du gemeint hast, du müsstest etwas erledigen? Wie lange dachtest du, dass du das vor mir verheimlichen könntest? Aber ich nehme an, es ist praktisch, wenn man gemeinsam im selben Apartment wohnt …“
„Du hattest doch zugestimmt, dass wir uns meine Wohnung teilen“, erwiderte Rasmus hölzern. Es war ihm anzusehen, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen, sich aber von der Situation komplett überfordert fühlte.
„Ich hab gelogen!“, schrie ich ihn an. Jetzt war sowieso schon alles egal. „Und du musst verrückt sein, wenn du mir das wirklich geglaubt hast! Kein Mädchen möchte, dass ihr Freund mit einer anderen zusammenlebt, schon gar nicht mit jemandem wie Serafina, die sich dir ungeniert an den Hals wirft!“
„Das war ja sehr deutlich“, erklang es hinter Rasmus. Serafina war unbemerkt wieder aus dem Apartment gekommen und zu uns auf die Straße getreten. Jetzt stand sie da, die Arme im Rücken verschränkt, und schaute mich bekümmert an.
Rasmus machte eine beschwichtigende Geste in ihre Richtung. „Fina, nicht …“
Zu hören, wie er sie mit ihrem Spitznamen ansprach, kam einem Peitschenhieb gleich. Meine Fingernägel gruben sich in meine Handflächen, während mein Zorn weiter hochkochte. „Ja, Fina, nicht “, wiederholte ich in einem härteren Tonfall, als ich mir selbst zugetraut hätte. „Du hast wahrhaftig schon genug getan!“
„Sprich nicht so mit ihr“, sagte Rasmus. Seine Unbeholfenheit war verschwunden, er wirkte nun beinahe kalt. Sofort löste sich mein Panzer auf, und die Traurigkeit schlug in Wogen über mir zusammen. Als ich schwankte, machte ich schnell ein paar Schritte rückwärts, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
„Ich muss hier weg“, flüsterte ich dann und stolperte weiter die Straße hinunter. Als Rasmus‘ Stimme ertöne, bremsten meine Beine jedoch gegen meinen Willen ab.
„Lily, wenn du auch nur halbwegs fair wärst, würdest du mir eine Chance geben, das alles zu erklären!“
Über die Schulter hinweg sah ich, wie er die geöffnete Hand in Serafinas Richtung streckte. Ich wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass sie diese ergriff und somit besiegelte, was hier gerade passierte, aber sie erwiderte nur unschlüssig Rasmus‘ Blick. „Das solltest du nicht tun. Nein, erzähl es ihr noch nicht, Blackwings.“
„Mir was erzählen?“, fragte ich dumpf. Meine Verzweiflung hatte nun einen Punkt erreicht, an dem mir alles ganz unwirklich vorkam.
Rasmus ließ die Hand sinken. „Als ich dir am Telefon gesagt habe, dass ich diese Woche etwas zu erledigen hätte, war das keine Lüge. Ich bin mit Serafina zu sämtlichen halbwegs erreichbaren Antiquariaten gefahren – und das jeden Tag.“
Angestrengt versuchte ich mir auf seine Worte einen Reim zu machen, aber es wollte mir nicht gelingen. Ich schüttelte den Kopf, während ich verunsichert wieder auf ihn zuging. „Warum solltest du so etwas tun?“
„Tja, du weißt es vielleicht nicht“, sagte er bitter, „aber am Sonntag dauert unsere Beziehung genau sechs Monate.“
Unser Halbjahrestag. Fassungslos musste ich mir eingestehen, dass ich in letzter Zeit kaum daran gedacht hatte. Allerdings konnte ich auch nicht begreifen, wieso Rasmus mich ausgerechnet jetzt an unser kleines Jubiläum erinnerte. Während ich mich auf eine neue Spitze der Grausamkeit gefasst machte, fuhr er bereits fort:
„Ich wollte etwas Besonderes als Geschenk für dich, aber die Suche danach war verdammt schwierig. Heute hatte ich … einfach nicht mehr genug Kraft dazu. Fina ist also alleine mit dem Bus losgefahren und tatsächlich fündig geworden. Das hat sie mir gerade gezeigt.“
Erneut streckte er einen Arm nach Serafina aus. Anstatt zu protestieren, zog sie die Hände hinter ihrem Rücken hervor und mit ihnen einen rechteckigen Gegenstand. Schweigend reichte Rasmus diesen an mich weiter.
Mit meinen tauben Fingern spürte ich den graubraun marmorierten Einband kaum. Die Ecken des Buches wurden von
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