Für jede Lösung ein Problem
ich und meinte damit den Montag, nicht das Wochenende. Denn das stand ganz im Zeichen von Tante Alexas Silberhochzeit.
Die Woche war sehr schnell vergangen. Ich hatte ungefähr vierzigmal mit Ole telefoniert, fünfzig Seiten am zweiten Ronina-Roman geschrieben und Patrick und Lulu beim Umzug geholfen. Letzteres nur, weil ich unbedingt als Erster sehen wollte, wie sich Patricks CD-Regal aus gebürstetem Edelstahl neben Lulus Serviettentechnikkommode machen würde.
Donnerstagabend, nachdem wir Lulus Sofa hinein- und Patricks Sofas hinausgetragen hatten, überreichte mir Patrick die Schlüssel.
»Sind das auch alle?«, fragte ich misstrauisch.
»Natürlich«, sagte Patrick. »Wovor hast du Angst? Dass ich nachts hier reinschleiche und mich an dir vergreife?«
»Exakt!«, sagte ich.
Patrick verzog verächtlich das Gesicht. »Keine Sorge! So eine wie dich würde ich nur im Notfall bumsen.«
Selbstverständlich war Lulu bei diesem Wortwechsel außer Hörweite – wenn sie zuhörte, war Patrick immer zuckersüß zu mir. Einmal nannte er mich sogar »kleine Schwester«.
»Du könntest ihm ruhig mal ein bisschen entgegenkommen«, sagte Lulu. »Er gibt sich solche Mühe mit dir.«
»Tut mir leid, Lulu, in diesem Fall weiß ich es ausnahmsweise mal besser als du: Der Typ ist und bleibt ein Arschloch!«
»Was dich aber nicht daran hindert, seine Wohnung und seine Küche zu übernehmen«, sagte Lulu. »Du solltest dich was schämen!«
»Ich habe selber lange darüber nachgedacht, ob ich das moralisch vertretbar finde«, sagte ich. »Aber – ja! Das ist es.«
Freitagmorgens wurde das Schloss ausgewechselt. Die Vermieterin war ein bisschen erstaunt darüber, aber ich übernahm selbstverständlich die Rechnung und erklärte, das hätte etwas mit Feng Shui zu tun. Neben dem neuen Schloss ließ ich auch gleich noch einen Sicherheitsriegel installieren. Anschließend fuhr ich zu meinen Eltern.
Meine Mutter hatte einen Hosenanzug für mich bestellt und darauf bestanden, dass ich zur Anprobe vorbeikam.
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ein Kleid habe«, sagte ich.
»Ein rotes !«, sagte meine Mutter. »Das habe ich nicht vergessen. Wahrscheinlich mit Spaghettiträgern und so eng, dass sich der Slip abmalt.«
»Nein«, sagte ich. »Es ist ein tolles Kleid, wirklich.«
»Das ist auch ein toller Hosenanzug«, sagte meine Mutter. »Genau den gleichen hatte die Hanna auf Annemaries Sechzigstem an. Schlüpf doch mal schnell rein.«
Seufzend tat ich ihr den Gefallen. Der Hosenanzug war beige, machte einen käsigen Teint und hing an mir herunter wie ein Sack.
»Das verstehe ich nicht«, sagte meine Mutter. »Es ist Größe zweiundvierzig! Halt dich doch mal gerade.«
»Ich habe Größe achtunddreißig, Mama«, sagte ich.
»Wirklich? Also, normalerweise habe ich so ein gutes Augenmaß, und du bist doch die Dicke in der Familie. Na ja, macht nichts, die haben einen 24-Stunden-Service, wenn ich da jetzt sofort anrufe, hast du ihn morgen Vormittag in Größe achtunddreißig.«
»Mama …« Mein Handy klingelte. Ich sah auf dem Display, dass es Ole war. Wieder mal.
»Nein, keine Widerrede, das ist mir sehr wichtig, dass du morgen anständig aussiehst, denn alle werden dich genau anschauen, da kannst du dir sicher sein«, sagte meine Mutter. »Ich möchte, dass du hocherhobenen Hauptes dort stehen kannst. Und ich auch! Du hast hoffentlich nicht vergessen, in was für eine unmögliche Position du mich gebracht hast, eine Mutter, deren Tochter sich das Leben nehmen wollte … Geh doch mal dran, Kind, das Ding macht ja einen furchtbaren Lärm.«
»Hallo?«
»Hallo, meine Schöne, ich wollte nur mal kurz hören, wie es dir geht«, sagte Ole.
»Wer ist denn da?«, fragte meine Mutter.
»Mir geht es gut, ich bin gerade bei meiner Mutter«, sagte ich.
»Hast du ihr schon von mir erzählt?«, fragte Ole.
»Ole, da gibt es nichts zu erzählen«, sagte ich.
»Mach schnell!«, sagte meine Mutter. »Sag, dass du zurückrufst. Wir haben zu tun!«
»Du überspannst den Bogen wirklich allmählich«, sagte Ole. »Soll ich dir mal sagen, wie viele Frauen mir in dieser Woche signalisiert haben, dass sie sofort bereit wären, Mias Stelle zu übernehmen? Mit allen Rechten und Pflichten?«
»Ich wette, jede einzelne deiner Sprechstundenhilfen«, sagte ich. »Wie viele sind das?«
»Hoho, ist da etwa jemand eifersüchtig?«, fragte Ole.
»Diese Handys sind eine Unsitte«, sagte meine Mutter. »Die müssten wirklich verboten
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