Für jede Lösung ein Problem
sagte ich. Der Kuss war in der Tat sehr schön gewesen. Aber das waren doch eigentlich alle Küsse, oder? Wenn man nicht gerade jemanden küsste, den man nicht mochte oder der einem gleich die Zunge in den Hals steckte, kribbelte es doch immer. Oder meistens. Also, zumindest bei fünfzig Prozent aller ersten Küsse. Oder fünfundvierzig. Das ist jedenfalls immer noch eine gute Quote.
Ole deutete mein Schweigen falsch und lächelte zufrieden. »Denk mal eine Nacht darüber nach«, sagte er, küsste mich auf die Wange und ging zu seinem Auto. Es war ein schwarzer Porsche Carrera, Ole nannte ihn sein »Zahnarztauto«, und Bert, Ulrich und Marius beneideten ihn glühend darum. Ich sah zu, wie er geschickt aus der Parklücke rangierte und die Straße hinunter beschleunigte.
»Gerri! Er ist weg, du kannst jetzt einsteigen«, rief Charly aus Ulrichs Auto.
Ich kletterte auf den Rücksitz. »’tschuldigung«, murmelte ich.
»Schon gut«, sagte Charly. »Es war ja ein wichtiges Gespräch, so viel Zeit muss sein.«
»Habt ihr etwa alles gehört?«
»Erst als Charly die Fenster runtergelassen hat«, sagte Ulrich.
»Und Ole hat Recht, Gerri«, sagte Charly. »Warum möchtest du diese Situation mit deinen Zweifeln kaputt machen? Was soll dieses misstrauische Analysieren? Du solltest das Glück einfach mal mit beiden Händen packen und festhalten.«
»Blödsinn«, sagte Ulrich. »Gerri hat Recht: Diese Gefühle kamen wirklich ein bisschen plötzlich. Wenn Mia ihn nicht betrogen hätte, wäre Ole noch heute mit ihr zusammen. Und wenn er es wirklich ernst mit Gerri meint, dann soll er nicht so einen Druck machen, sondern den Dingen einfach ihren Lauf lassen.«
»Außerdem geht es nicht um Oles Gefühle«, sagte ich. »Es geht um meine Gefühle!«
»Aber du magst Ole doch!«, sagte Charly.
»Ja, und ich war auch mal in ihn verliebt«, sagte ich. »Nur, das ist Jahre her!«
»Du kannst mir nicht erzählen, dass du ihn nicht mehr scharf findest«, sagte Charly.
»Scharf finde ich auch Robbie Williams und Giovanni di Lorenzo und David Beckham«, sagte ich. »Sogar Ulrich – jedenfalls manchmal.«
»Danke, Baby«, sagte Ulrich. »Wenn du willst, laufe ich zu Hause nur noch in Boxershorts herum, solange du noch bei uns wohnst.«
»Aber …«, fing Charly wieder an.
»Lass sie in Ruhe«, sagte Ulrich. »Wenn das was Ernstes ist mit Ole und ihr, dann hat sie alle Zeit der Welt, das herauszufinden.«
»Wenn es dann mal nicht zu spät ist«, sagte Charly. »Und nachher kriegt sie wieder solche Selbstmordanwandlungen, und keiner will’s gewesen sein!«
***
»Wir haben hier drei Coverentwürfe vorliegen und müssten dazu Ihre Meinung einholen«, sagte Lakritze am Telefon.
» Meine Meinung?«
»Ja, Kindchen, haben Sie denn Ihren Vertrag nicht durchgelesen? Sie haben ein Mitspracherecht bei diesen Dingen, und Sie werden es auch brauchen, denn auf dem einen Cover sieht Ronina aus wie Madonna in den Achtzigern, einschließlich des Aerobic-Outfits, und auf dem anderen fließt auf einem Quadratmeter mehr Blut als bei der Schlacht von Watergate. Kommen Sie doch Montag mal vorbei, dann kann ich Sie gleich in der Grafikabteilung vorstellen.«
»Gut«, sagte ich und nahm mir vor, etwas über die Schlacht von Watergate rauszubekommen.
Mann! Ich hatte Mitspracherecht bei den Covern. Das war ja revolutionär! Dann würden meine Protagonistinnen endlich mal die gleiche Haarfarbe haben wie die Frauen vorne auf dem Bild. »SindIhre familiären Angelegenheiten wieder, äh, ich meine, es war doch hoffentlich nichts Schlimmes?«
»Was meinen Sie?«
»Na, Sie konnten doch letzten Mittwoch nicht mit zu dem Lunch kommen«, sagte ich.
»Ach so, das «, sagte Lakritze. »Ja, da brauchte ich dringend mal einen freien Tag, und ich dachte, Ihnen und dem Jungen tut es gut, mal allein zu sein. Wussten Sie, dass er nicht mehr mit der Schneider zusammen ist?«
»Ja«, sagte ich. »Das war nur eine schäbige, überflüssige Affäre.«
»Ich weiß nicht, ob sie das auch so sieht«, sagte Lakritze. »Aber auf jeden Fall scheint ihm das gut zu bekommen, er ist gerade dabei, seine Abstellkammer zu räumen und das Eckbüro zu beziehen.«
»Oh«, sagte ich. »Da hat er aber mal Ellenbogen gezeigt.«
»Nicht wirklich«, sagte Lakritze. »Das Büro stand ja leer, seit die Kollegin den Nervenzusammenbruch erlitten hat. Aber es ist ein Anfang. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, Gerri, wir sehen uns dann am Montag.«
»Ich freue mich«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher