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Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Harakiri-Typ«, sagte ich und sah sehnsüchtig zu dem Messerblock auf der Anrichte hinüber. »Ich wünschte, ich wäre es.«
    Charly hatte schon die Nummer meiner Eltern gewählt. »Ja, guten Morgen, Frau Thaler, hier ist Charly, Charlotte Marquard. Die schreckliche Charlotte . Hören Sie, Frau Thaler, falls Sie die Post schon geöffnet haben … – Haben Sie noch nicht? Gut, dann tun Sie es auch am besten nicht … Ja, ein Brief von Gerri, genau, den sollten Sie zulassen, weil – Gerri hat sich da einen blöden, also, der Brief ist ein blöder Scherz, nein, zulassen ! Lesen Sie ihn gar nicht erst. Verdammt, warum hören Sie denn nicht … Gerri geht es gut, wirklich, sie steht hier neben mir. Ja, ich weiß auch nicht, was das soll, aber … na ja, da hat sie schon Recht, Sie haben wirklich immer gemeine Sachen über ihre Haare … lesen Sie nicht weiter, wie gesagt, die Tabletten hat sie einem Zimmermädchen … sie steht hier gesund und munter … ja, aber der Klaus war wirklich ein absolutes Ekelpaket, niemand, der seine fünf Sinne beisammen hatte, hätte ihn auch nur mit der Zange … nein, die Hanna Koslowski hat mit sechzehn noch Ponyhof-Bücher gelesen und I love Black Beauty auf ihr Mäppchen gekritzelt, hallo ? Hören Sie bitte … – ja, das sage ich ihr, auch wenn das vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt … Aber Sie sollten vielleicht auch … Frau Thaler ! Sie sollten jetzt besser die Leute anrufen, denen Gerri sonst noch Abschiedsbriefe zugeschickt hat, damit keine Panik … ja, ich kann Sie verstehen … nein, sicher wird Großtante Hulda Sie deswegen nicht aus ihrem Testament streichen … aberdas ist doch ein ehrenwerter Beruf, da könnten Sie stolz drauf sein, meine Mutter würde platzen vor … aber … – ach, wissen Sie was? Kein Wunder, dass Gerri Depressionen hat! Sie sind eine fürchterliche Mutter, und das wollte ich Ihnen schon immer mal gesagt haben.«
    Charly drückte die Austaste und warf Ulrich das Telefon zu. »Diese dämliche Kuh denkt wieder mal nur an sich! Immerhin brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, dass sie einen Infarkt bekommt. Sie ist stinkesauer auf Gerri.«
    »Ich schätze, da ist sie nicht die Einzige«, sagte Ulrich. »Was um Himmels willen hast du den Leuten denn geschrieben, Gerri?«
    Ja, was um Himmels willen hatte ich den Leuten denn geschrieben?
    »Ich muss nach Novosibirsk«, flüsterte ich. »Ich muss mich irgendwo verstecken.«
    Das Telefon in Ulrichs Hand klingelte.
    » Bitte versteckt mich!«, sagte ich.
    »Gerri, ich halte es für besser …«, begann Ulrich.
    »Bitte!!«
    »Aber Gerri, mit solchen Anwandlungen ist nicht zu spaßen. Eine psychiatrische Intervention …«
    »Sie bekommt das Kinderzimmer«, fiel Charly ihm ins Wort. »Dort habe ich sie Tag und Nacht im Visier.«
    »Danke«, sagte ich. »Danke, danke, danke!«
    ***
    Im Haus meiner Tante war alles still. Wir schlichen uns geduckt an den seitlichen Fenstern vorbei und kletterten mit leisen Sohlen die Feuertreppe hinauf. Mein Herz klopfte bis zum Hals, und meine Hände zitterten so sehr, dass ich Mühe hatte, das Schlüsselloch zu treffen.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich mir das antue«, flüsterte ich. »Wenn Tante Evelyn mich erwischt, ist alles aus.«
    »Du brauchst aber deine Sachen«, flüsterte Charly zurück. »Wennich allein gegangen wäre, dann könnten sie mich wegen Diebstahl verhaften. Und auf jeden Fall wird deine Tante heilfroh sein, dass du doch nicht tot bist.«
    »Du kennst meine Verwandtschaft nicht«, sagte ich.
    Als es mir endlich gelungen war, die Tür aufzuschließen, sahen wir, dass uns schon jemand zuvorgekommen war. Tante Evelyn eben. Sie saß an meinem Küchentisch und steckte mit beiden Händen in meinem Schmuckkästchen.
    Sie erschrak mindestens so sehr wie ich. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie an, meine Tante starrte zurück.
    Nur Charly behielt die Nerven und sagte: »Guten Tag! Lassen Sie sich nicht stören. Wir wollten nur ein paar Sachen holen. Und keine Angst, das ist nicht Gerris Geist, es ist Gerri selber.«
    »Das sehe ich«, zischte Tante Evelyn. »Dorothea hat schon angerufen und mir gesagt, dass du dir nur einen gottlosen Scherz erlaubt hast. Ich selber habe sowieso keine Minute daran geglaubt.«
    »Tut mir leid«, stotterte ich. »Ich wollte nicht …«
    »Deine Mutter macht die Hölle durch«, sagte Tante Evelyn. »Sie muss überall anrufen und den Leuten erklären, dass du selbst zum Schlaftablettenschlucken zu dämlich

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