Für Leichen zahlt man bar
mir zögernd den Kopf zu.
»Miss Tong«, sagte ich, »ich
habe mit Ihnen zu reden .«
»Sie — Sie irren sich«,
flüsterte sie hastig.
»Keine faulen Ausreden, bitte!
Ich bin Danny Boyd, und das wissen Sie ganz genau !«
»Das muß eine Verwechslung
sein«, sagte sie beharrlich. »Ich habe Sie noch nie in meinem Leben gesehen !«
»Das geht mir denn doch über
die Hutschnur !« Ich war jetzt wirklich ärgerlich. »Ich
habe dringend mit Ihnen zu sprechen. Die Sache duldet keinen Aufschub und —«
Ein Schraubstock legte sich um
mein Handgelenk und drückte es schmerzhaft zusammen. Ich wandte den Kopf ein
wenig nach links und begegnete dem finsteren Blick von Lakas Begleiter.
»Sie haben gehört, was die Dame
sagt«, bemerkte er mit gebildeter Baßstimme . »Sie
haben sich geirrt .«
»Jawohl, ich habe gehört, was
die Dame sagt«, knurrte ich, »aber ich habe mich nicht geirrt. Mischen Sie sich
nicht ein .«
Seine Hand war wie aus Eisen.
Ich erwartete jeden Augenblick, daß er mir das Gelenk brechen würde. »Ich
möchte nicht unbedingt gerade hier einen Skandal machen«, sagte er kalt, »aber
wenn Ihnen so viel daran liegt, wird es mir ein Vergnügen sein, Ihnen Manieren
beizubringen .«
In diesem Augenblick merkte
ich, daß Laka Tongs unwahrscheinlich blaue Augen mich
flehend ansahen. In ihrem Blick lag nackte Angst. Nach einigen Sekunden gelang
es mir, wenn auch mit Mühe, einen Ausdruck der Verlegenheit auf mein Gesicht zu
zaubern.
»Die Ähnlichkeit ist wirklich
verblüffend«, murmelte ich undeutlich. »Ich habe meine Bekannte mehrere Jahre
nicht gesehen, und als Sie plötzlich erschienen — es ist mir wirklich sehr
unangenehm .«
»Schon gut«, hauchte Laka Tong. »Ein Irrtum kann jedem einmal passieren .«
»Das schon«, schnappte ihr
Begleiter, »aber sehr wenige Menschen benehmen sich dabei so rüpelhaft wie
dieser saubere Herr .«
Ich lächelte ihm freundlich zu.
»Lassen Sie mein Handgelenk los, oder ich trete Ihnen das Schienbein ein !«
Sekundenlang wurde sein Griff
noch härter, und ich hätte beinahe laut aufgeschrien vor Schmerz. Dann ließ der
Druck unvermittelt nach, und seine Hand fiel schlaff herunter.
»Kommen Sie, meine Liebe .« Er lächelte Laka zu und nahm
ihren Arm. »Ich darf Ihnen versichern, daß die Mehrzahl der Gäste zivilisierte
Menschen sind .«
Ich drängte mich zurück an
meinen Platz, lehnte mich an die Wand und zündete mir eine Zigarette an. Dabei
überlegte ich mir, ob Laka Tong bewußt geschwindelt
hatte, oder ob die Ereignisse dieses aufregenden Tages nur in meiner Phantasie
bestanden. Von meinen tiefsinnigen Überlegungen wurde ich durch eine
erfreuliche Erscheinung in schwarzem Seidenkleid erlöst.
»Ich habe meine Fühler ein
bißchen ausgestreckt, wie Sie vorschlugen«, sagte Judith Montgomery. »Zwei
unserer Leute möchten Sie gern kennenlernen, und wenn Sie nicht artig sind und
jetzt nicht schön brav mitkommen, spiele ich nachher nicht mit Ihnen Fangen im
Park .«
»Wer könnte da nein sagen !«
»Dann kommen Sie jetzt, und
schauen Sie mich nicht so an! Wenn hier genügend brennbares Material läge,
könnten Sie mit Ihrem Feuerblick glatt das Haus anzünden .«
Ich folgte ihr gehorsam. Wir
verließen den Empfangsraum und stiegen eine Treppenflucht zum dritten Stockwerk
hinauf. Dort befanden sich offenbar die Hauptgeschäftsräume der Gesellschaft.
Judith schlängelte sich mit schwingenden Hüften an einer Reihe leerer
Schreibtische vorbei, blieb vor einer teakholzgetäfelten Tür stehen und klopfte
leise.
»Herein !« forderte eine herrische Stimme. Hinter der teakholzgetäfelten Tür befand sich
das feudalste Manager-Gemach, das ich je gesehen hatte. Ich versank knöcheltief
in dem weichen weißen Teppich, gegen den sein Bruder im unteren Stockwerk wie
ein Putzlappen wirkte. Große Schaukästen mit einem Märchenschatz glänzender,
glitzernder Jadeschmuckstücke erstreckten sich über eine ganze Zimmerwand. Die
niedrige Couch und die sechs bequemen Sessel waren aus Teakholz und nach modernem skandinavischen Muster gebaut. An einem
überdimensionalen Schreibtisch — ebenfalls aus Teakholz — saß eine Frau. Hinter
ihrem Stuhl stand in unterwürfiger und gleichzeitig aufmerksamer Haltung, wie
ein Prinzgemahl, der sich seiner untergeordneten Stellung bewußt ist, ein
kleiner, schmächtiger Mann.
Mit respektvoller Stimme
verkündete Judith: »Madame Choy , das ist Mr. Boyd !« Man hätte sie für eine chinesische Kaiserin aus einer Tschu - oder
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