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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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tatsächlich
     kein Wort gesagt? Na ja, wenigstens, warum ausgerechnet Sinedolsk? Was er dort wollte?«
    »Nein.« Tatjana schüttelte den Kopf. »Er hat geschwiegen wie ein Grab. Er hat versprochen, mir später alles zu erklären. Ich
     weiß nur, daß er zwei Monate davor plötzlich dringend Geld brauchte. Er mußte die Schulden seiner Exfrau bezahlen. Wissen
     Sie, diese Frau … Es ist nicht schön, so etwas zu sagen, aber sie ist eine krankhafte Idiotin. Sie suchtpanisch Arbeit und gerät dabei dauernd in irgendwelche zweifelhaften Geschichten. Diesmal war es ziemlich ernst, sie hatte
     einen Schuldschein unterschrieben über eine gewaltige Summe, ohne das Geld je gesehen zu haben.«
    »Warum mußte ausgerechnet er die Schulden seiner Exfrau begleichen? Soviel ich weiß, sind die beiden doch seit sieben Jahren
     geschieden.«
    »Wegen Mascha. Angeblich haben die Banditen seine Tochter bedroht. Aber er hat das Problem irgendwie geklärt. Er hat gesagt,
     jetzt sei alles in Ordnung.«
    »Und wie? Hat er das Geld aufgetrieben? Oder sich mit den Banditen geeinigt?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß Mascha danach in Ruhe gelassen wurde.«
    »Und woran hat er gearbeitet? Seinen letzten Roman hat er ja schon Anfang Februar beendet.«
    »Erst hat er gesagt, er müsse sich mal richtig ausruhen. Dann hat er angeblich Material gesammelt für seinen nächsten Roman.
     Was eigentlich seltsam war. Normalerweise hat er spezielle Informationen, die er brauchte, im Laufe der Arbeit eingeholt.
     Daß Nikita vorher Material sammelte, noch dazu so lange – an so etwas kann ich mich nicht erinnern.«
    »Hat er gesagt, welcher Art Material das war?«
    »Bevor ich ihn zum Flughafen fuhr, habe ich ihm noch eine Büchse gezuckerte Kondensmilch und Pulverkaffee eingepackt, als
     kleine Überraschung, und dabei eine Plastehülle mit kopierten Texten entdeckt. Wissenschaftliche Aufsätze über Goldgewinnung,
     Karten, Diagramme. Ich hätte ihn beinahe im Scherz gefragt, ob er etwa auf Goldsuche gehen wolle, um die Schulden bei den
     Banditen zu bezahlen, habe es aber lieber unterlassen. Er konnte es nicht ausstehen, wenn man in seinen Papieren las. Außerdem
     warenda ein paar Artikel über totalitäre Sekten. Doch das hat mich nicht weiter gewundert. Sekten kann er durchaus für sein nächstes
     Buch gebraucht haben.«
    »Das heißt, Sie haben ihn nach seiner Rückkehr aus Sinedolsk das letztemal gesehen. Welchen Eindruck machte er auf Sie, war
     er zufrieden mit seiner Reise?«
    »Ob er zufrieden war, weiß ich nicht. Er war aufgekratzt, aufgedreht und hatte in den paar Tagen sichtlich abgenommen. Außerdem
     war er müde, erschöpft. Um halb zwei ist er gegangen. Ich bot ihm an zu bleiben, doch das hat er kategorisch abgelehnt. Ich
     wollte ihn nach Hause fahren, aber er hat gesagt, er müsse vorm Schlafengehen unbedingt noch ein paar Schritte laufen.«
    »Und von Sinedolsk hat er nichts weiter erzählt?«
    »Nur so allgemein. Daß dort gerade der Wahlkampf zu Ende gegangen sei und überall Plakate des Siegers hingen. So schöne Plakate,
     daß es dem Sieger bestimmt leid täte, sie abzunehmen.«
    Der Hauptmann zog im Flur seinen Mantel an. Tatjana lehnte nachdenklich rauchend am Rahmen der Zimmertür. Plötzlich schrak
     sie auf.
    »Einen Augenblick!« Sie rannte ins Zimmer und kam mit einer Zeitung vom vierten Mai in der Hand zurück. In der Rubrik »Kriminalitätschronik«
     war eine kurze Meldung mit Marker hervorgehoben. »Unbekannte in einem Jeep schossen auf das Schaufenster eines Sportgeschäfts
     auf dem Leningrader Prospekt. Zu Schaden kam lediglich eine Schaufensterpuppe. Notarztteam und Einsatzgruppe der Miliz fanden
     am Tatort die arme Puppe mit zerschossenen Beinen unter einem Haufen Glasscherben.«
    »Das war in der bewußten Nacht, drei Blocks entfernt von meinem Haus«, erklärte Tatjana.

Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Die Astachowa war so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, daß sie gar nicht weiter über das Märchen nachdachte, daß ihr
     der freundliche, naive Dicke erzählte.
    Sie erinnerte sich, daß sie das Telefon abgeschaltet hatte. Gut möglich, daß sie in ihrer Aufregung die Tür nicht abgeschlossen
     hatte. Auch daß Anton sich in eine gewisse sechzigjährige Natalja verliebt hatte, war vorstellbar.
    Sie hatte ihren Neffen zwar ziemlich streng unter Kontrolle, konnte aber nicht jeden seiner Schritte überwachen. War es nicht
     denkbar, daß der Junge endlich gefunden hatte, was er suchte? Und

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