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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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zusammen,
     wenn er nur seinen Namen hört. Er gibt sich zwar große Mühe, damit ich das nicht merke, damit niemand es merkt, aber er zuckt
     zusammen. Als er mich mit einem Buch von Viktor Godunow gesehen hat, ist er ganz blaß geworden, sein Gesicht wurde richtig
     unangenehm, sein Blick ganz starr. Er hat glatt die Kontrolle über sich verloren. Das passiert ihm selten. Normalerweise schafft
     er es immer, ruhig zu wirken, egal, was in ihm vorgeht.
    Nika wußte, daß ihr Mann geschäftlich mit dem Verlag zu tun hatte, in dem Nikitas Bücher erschienen. Möglicherweise hatte
     er sich deshalb mit ihm getroffen. Obwohl – in der Regel verhandelte er mit dem Geschäftsführer und der Cheflektorin. Wieso
     plötzlich mit dem Autor Godunow?
    Sie hatte erwartet, daß er das Treffen mit Rakitin beiläufig erwähnen würde, doch das hatte er nicht getan.
    Er ist also noch immer eifersüchtig, hatte Nika gedacht und das Treffen ihres Mannes mit ihrem verflossenen Bräutigam bald
     vergessen. Erst als sie von Nikitas Tod erfuhr, war es ihr wieder eingefallen, und sie hatte Grischa gefragt: Wann hast du
     ihn das letztemal gesehen? Und er hatte sie belogen. Wohl kaum aus Eifersucht, oder?
    Eine weitere Tatsache war, daß Nikita sich vor jemandem versteckt hatte. Sie war sich sicher, daß Nikita nicht wegen einer
     Schreibkrise bei Sina gewohnt hatte. Er konnte nirgendwo besser arbeiten als zu Hause, also war er aus seiner komfortablen
     Wohnung in Sinas Höhle gezogen, um sich zu verstecken. Vor wem?
    Nika ging im Kopf mehrere Varianten durch und kam zu dem einzig möglichen Schluß: Nikita hatte sich bei Sina versteckt, weil
     ihm Gefahr drohte. Er wußte, daß ihn jemand töten wollte.
    Und nun versuchte irgendwer, Nika einzureden, der Mörder beziehungsweise der Auftraggeber sei ihr Mann gewesen. Aber wieso?
     Wenn der Anonymus den Schuldigen unbedingt bestrafen wollte, dann hätte er sich doch eher an einen Privatdetektiv gewandt.
     Warum war ihm daran gelegen, daß Nika diese kriminelle Geschichte aufklärte? Wo war da die Logik?
    Der Anonymus wußte vieles aus der Vergangenheit. Er nannte Nikita »Ihr Bekannter«, wußte aber vermutlich genau, wie sie tatsächlich
     zueinander standen, sonst würde er wohl kaum auf ihr Interesse für den Fall rechnen. Er wußte auch von ihrer Kinderfreundschaft
     mit Sina und hatte deshalb unfehlbar sie als Kurier ausgewählt.
    Habe ich es also mit einem alten Bekannten zu tun, fragte sich Nika, mit jemandem, der bei den Rakitins ein und aus ging?
     Aber das waren Dutzende!
    Plötzlich fiel ihr ein, daß das Gesicht des Mannes imFlugzeug ihr vage bekannt vorgekommen war. Doch wieder sagte sie sich, das habe sie sich nur eingebildet, der todkranke Mann
     habe sie nur deshalb mit Blicken durchbohrt, weil sie zufällig dort saß, wo er gerade hinschaute.
    Dann erinnerte sie sich an die kreisrunden Narben auf der Hand der seltsamen Alten mit dem Hut und der dunklen Brille. Solche
     Narben hatte Grischa ebenfalls. Spuren einer Kinderei: Ein paar Jungen, die auf eine elitäre Schule in Sinedolsk gingen, hatten
     Zigaretten auf ihrem Handrücken ausgedrückt. Als Grischa ihr das erstemal davon erzählt hatte, war sie sehr beeindruckt gewesen
     und hatte sich vorgestellt, wie weh das getan haben mußte. Später war noch einmal die Rede darauf gekommen. Grischa hatte
     einen Landsmann mit nach Hause gebracht. War er nicht beim Militär? Richtig, er besuchte eine Militärschule.
    Nika sah undeutlich das Bild eines großen Mannes in Uniform vor sich. Was für eine Uniform es gewesen war, wußte sie nicht
     mehr. Dafür erinnerte sie sich wieder genau an das Gespräch über die Narben auf dem Handrücken und an Grischas peinliche Verlegenheit,
     als sie die Narben zählten. Warum hatten sie sie gezählt? Was sollte der Blödsinn?
    Sie spürte, daß es wichtig war, daß sie sich unbedingt daran erinnern mußte, aber das lag so lange zurück, außerdem folgte
     ihr jetzt jemand, kämpfte sich durch das Gedränge vor der Rolltreppe.
    Sie stand bereits auf der untersten Stufe, die Rolltreppe fuhr langsam nach oben. Geschickt schlüpfte Nika zwischen den Menschen
     auf der Rolltreppe hindurch und rannte hinauf.
    »Junger Mann, drängeln Sie nicht so!« hörte sie eine Greisinnenstimme hinter sich rufen. »Entschuldigt sich nicht einmal,
     der Lümmel!«
    Ohne sich umzudrehen, rannte Nika weiter. Sie wußte,die Empörung galt dem Mann, der gerade versuchte, sie einzuholen.
    Er blieb im Gedränge auf

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