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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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nur, daß die Leute
     weggebracht wurden. Sie verschwanden einfach. Ach, was soll’s, das ist vorbei, die Sache wurde untern Teppich gekehrt, sie
     haben rechtzeitig damit aufgehört. Shanli hat sich nach Korea abgesetzt, Russow in die Politik, und mich hat er in den Verlag
     gesteckt. Aber plötzlich wollte erunbedingt eine schöne Biographie. Bitte sehr, dann such dir irgendeinen Schreiberling, der dir in den Arsch kriecht und schreibt,
     was du willst. Aber nein! Er wollte unbedingt Godunow! Das hat er nun davon. Na, ich weiß schon, was ich diesem Hauptmann
     erzähle, ich laß den Kerl auffliegen, der wird sich wundern!«
    »Welchem Hauptmann?« Viktjuk war nun am ganzen Körper schweißnaß, obwohl es in der Küche kühl war.
    Sie schrie immer weiter. Ein regelrechter hysterischer Anfall. Morgen würde sie ihre unbedachte Offenheit vielleicht bereuen,
     aber jetzt konnte sie sich nicht bremsen.
    Viktjuk verließ sie kurz nach zwei. Er stieg in seinen VW, griff zum Handy, wählte eine Nummer, diktierte grußlos die Adresse
     der Astachowa und sagte nur drei Worte: »Dringend. Selbstmord. Fünfzehntausend.«
     
    »Wenn jemand anruft, sag, ich bin im Bad oder schlafe«, bat Nika, »oder nimm lieber gar nicht ab.«
    »Wo willst du hin?« Sina gähnte herzhaft, rieb sich die verschlafenen Augen und sah Nika erstaunt an.
    Nika trug Turnschuhe, enge schwarze Jeans, eine ziemlich abgewetzte graue Wildlederjacke und auf dem Kopf ein schwarzes Wildlederkäppi
     mit langem Schirm.
    »Erklär ich dir später.«
    »Warte mal, du hast mir noch gar nicht erzählt, wie das Treffen mit deinem Kommilitonen war, was er dir Interessantes erzählt
     hat.«
    »Später, Sina. Ich hab’s sehr eilig. Ich bin in zwei Stunden wieder da.«
    Sie schlüpfte an der Concierge vorbei, den Mützenschirm tief in die Stirn gezogen.
    »Junge Frau! Bei wem waren Sie?« schreckte die Concierge auf.
    Sehr schön, dachte Nika, ich bin also nicht zu erkennen.
    »Wohnung vierzig«, nannte Nika die erstbeste Zahl und lief hinaus. Sie wußte, daß der Mercedes der Bodyguards am Tor der
     Tiefgarage wachte. Sie wollte schon ein Auto anhalten, besann sich aber und ging entschlossen Richtung Metro.
    Im Auto hätten die Jungs sie vielleicht bemerkt und eingeholt. Daß die Frau Gouverneur mit der Metro fuhr, damit rechneten
     sie bestimmt nicht.
    Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, daß sich eiskalte Augen in ihren Hinterkopf bohrten. Aufmerksam musterte sie die Menge,
     erst auf der Rolltreppe, dann in der Metro. Immer wieder glaubte sie, den hageren, kahlköpfigen Mann zu sehen, der im Flugzeug
     in der Reihe neben ihr gesessen und sie die ganze Zeit angestarrt hatte. Vielleicht hatte dieses Gesicht sich ihr einfach
     so eingeprägt, daß sie es nun überall entdeckte.
    Gratuliere, jetzt hast du schon Halluzinationen. Mal bildest du dir ein, ein Jeep hätte Sina überfahren, dann hörst du eine
     Oma flüstern: »Dein Mann ist ein Mörder«, und dabei sieht dich der Mann aus dem Flugzeug durch verspiegelte Brillengläser
     an, und nun verfolgt dich der Typ höchstpersönlich in der Metro, verspottete sich Nika im stillen; du drehst noch völlig durch,
     meine Gute. Nimm dich zusammen.
    An die Haltestange im überfüllten Wagen geklammert, sah sie ihrem verschwommenen Spiegelbild auf der schwarzen Fensterscheibe
     in die Augen und versuchte zum zigsten Mal, ganz in Ruhe alles zu sortieren, Tatsachen von Vermutungen zu trennen.
    Eine zweifelsfreie Tatsache war, daß Grischa log. Er hatte sich Mitte Februar mit Nikita getroffen, vor drei Monaten also,
     ihr gegenüber aber behauptet, er hätte ihn seit drei Jahren nicht gesehen.
    Nika hatte davon ganz zufällig erfahren. Einer von Grischas Chauffeuren, der schwatzhafte Witzbold Kolja, hatte sie von der
     Arbeit auf die Datscha gefahren und die ganze Fahrt über geplappert.
    »Gestern, da hab ich einen Schriftsteller gefahren. Den Namen hab ich vergessen. Er schreibt Krimis. So ein junger großer
     Blonder. Wie heißt er doch gleich? Ich hab ein Buch von ihm gelesen, ›Die Sackgasse‹, und im Fernsehen hab ich ihn auch schon
     gesehen.«
    »Godunow«, sagte Nika schläfrig.
    »Ja! Genau, Viktor Godunow.« Der Chauffeur freute sich.
    »Wohin hast du denn den Schriftsteller Godunow gefahren, Kolja?«
    »Auf die Datscha. Zu Grigori Petrowitsch. Und dann wieder zurück nach Hause.«
    Grischa hat sich mit Nikita getroffen, hatte sich Nika im stillen gewundert. Warum wohl? Er zuckt doch heute noch

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