Für Nikita
auf dem
Belorussischen Bahnhof aufgelesen?«
»Ja.« Jegorow nickte.
»Vom Belorussischen fahren die Züge nach Westen. Nein, so kriegen wir gar nichts raus. Außerdem kann das Mädchen auch gelogen
haben. Warte mal …« Er stand abrupt auf, verschwand und kam nach fünf Minuten mit mehreren Fotos in der Hand zurück. »Schau
sie dir genau an, hast du einen von diesen Leuten schon mal gesehen?«
Jegorow nahm die Fotos in die Hand. Sie zeigten typische Banditen: Kantige, stumpfsinnige Gesichter, zu typisch, um sie wiederzuerkennen.
»Ich glaube nicht.«
»Und den hier?«
Das Foto war ziemlich unscharf, wahrscheinlich aus dem Fenster aufgenommen, von weitem. Zwei Personen, ein Mann und eine Frau.
»Das ist doch Galja, deine Exfrau, oder?« sagte Jegorow unsicher.
»Und der neben ihr? Bitte, Iwan, sieh genau hin.«
»Gut, daß es ein Farbfoto ist«, sagte Jegorow nach einer langen, qualvollen Pause, »sonst hätte ich das Schwein nie erkannt.
Die roten Locken, die rosa Glatze – das ist Viktjuk. Felix Michailowitsch. Der Privatdetektiv bei ›Garantija‹. Die Firma,
vor der ich Russow getroffen habe. Hör mal, wo hast du das her?«
»Unwichtig.«
Jegorow war zu betrunken, um zu bemerken, wie heftig sich Nikitas Gesicht veränderte, daß er ganz blaß wurde und die Zähne
zusammenbiß.
Damals, vor einem Monat, war Jegorow betrunken gewesen. Jetzt fror er und war nervös. Außerdem hatte er kein besonders gutes
Personengedächtnis. Sonst wäre ihm der Gorilla Kostik, der nun neben Nika ging, auf jeden Fall bekannt vorgekommen.
»Übertreibst du nicht ein bißchen, Kostik?« fragte Nika den düsteren Kraftprotz. »Alles hat seine Grenzen. Ich bin sicher,
mein Mann hat dich nicht beauftragt, Agentenspielchen abzuziehen.«
»Ich weiß, daß Ihnen das nicht gefällt, aber ich muß Sie nun mal begleiten, egal, wohin.«
»Aber dich hat niemand eingeladen.«
»Ich habe nicht vor, mitzukommen in die Wohnung. Ich bleibe auf der Treppe sitzen.«
»Und woher weißt du, daß ich in eine Wohnung will?«
»Nadeshda Guschtschina ist zu alt, als daß Sie sich mit ihr auf der Straße verabreden würden.«
Sie standen mitten auf der Fahrbahn, auf dem Trennstreifen, und warteten auf Grün. Vor und hinter ihnen riß der Fahrzeugstrom
nicht ab. Nika rannte los. Bremsen quietschten. Mit einem Satz war Kostik bei ihr, packte sie und brachte sie zurück auf dem
Mittelstreifen.
»Entschuldigen Sie, Veronika Sergejewna«, sagte er, während er ihre Wildledermütze vom Fahrdamm aufhob und sie sorgfältig
abklopfte, »Sie sind sehr unvernünftig. Ich habe eine Liste der Adressen, die Sie vor der Beerdigung möglicherweise aufsuchen
werden. Darunter auch die von Nadeshda Guschtschina. Nach der Metrostation zu urteilen, an der Sie ausgestiegen sind, wollen
Sie zu ihr.«
»Hör mal, Kostik, ich bitte dich, mach, daß du wegkommst«, sagte Nika leise, »ich hab das wirklich satt. Ich kläre das selbst
mit Grigori Petrowitsch. Er wird dir keine Vorwürfe machen, dafür garantiere ich.«
Endlich war Grün. Sie überquerten den Prospekt. Kostik holte ein Mobiltelefon aus seiner Jacke und reichte es Nika.
»Bitte, klären Sie das.«
Sie wählte eine Nummer, und eine automatische Stimme sagte: »Der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar.« Mehrere
andere Nummern, darunter Grischas persönlicher Notruf, waren besetzt.
»Veronika Sergejewna, behalten Sie das Telefon lieber. Es ist schließlich Ihrs.«
Nika warf das Handy in ihre Tasche. Sie waren am Hauseingang angelangt.
»Gut«, sagte sie nachdenklich. »Ich halte mich hier höchstens eine Dreiviertelstunde auf. Sei so gut und hol das Auto her.«
Sie ging ins Haus, Kostik blieb draußen.
Nadeshda Guschtschina öffnete lange nicht. Endlich schlurften Schritte zur Tür, das Schloß klackte.
»Komm rein, behalt die Schuhe an«, sagte die alte Frau, ohne Nika anzusehen, »denk dran, mir geht es nicht gut, darum kann
ich nicht lange mit dir reden. Außerdem gibt es sowieso nichts zu besprechen.«
Nika holte eine Dose schwarzen Kaviar aus ihrer Tasche, stellte sie auf die Flurkommode, nahm die Mütze ab und zog die Jacke
aus.
»Was soll das? Steck das sofort wieder weg!« Nadeshda hob die Stimme.
»Verzeihen Sie, ich konnte doch nicht mit leeren Händen hier auftauchen. Blumen sind in diesem Fall irgendwieunangebracht, Schokolode dürfen Sie nicht essen, aber Kaviar schmeckt gut und ist bekömmlich.«
»Für mich ist nichts,
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