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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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der Rolltreppe stecken; Nika war bereits oben. Am liebsten wäre sie Hals über Kopf weggerannt. Sie
     wußte, jetzt hatte sie noch die Chance, ihren Schatten abzuschütteln, aber sie zwang sich stehenzubleiben, denn sie hatte
     auch eine andere Chance: ihren Schatten zu verblüffen, indem sie ihn überraschte, ihm ins Gesicht sah.
    Vor der Metro war ein Brillenstand. Nika blieb abrupt stehen, griff nach der erstbesten dunklen Brille, setzte sie auf und
     musterte in dem schrägen Spiegel überm Ladentisch aufmerksam die Menge. Die Verkäuferin bot ihr geschäftig noch fünf weitere
     Brillen an.
    Im Spiegel huschten viele Gesichter vorüber. Nika bereute ihre Idee schon. Sie hätte weglaufen sollen. Dieses Spiel war nichts
     für sie. Sie würde in der Menge niemanden erkennen.
    Sie probierte noch eine Brille auf, da traf ihr Blick auf den eines Mannes, den sie sofort erkannte.
     
    »Nein, Veronika Sergejewna, das ist alles nicht so einfach. Ihr Mann ist kein Dummkopf. Seine Gorillas lassen Sie keine Minute
     aus den Augen, und es wäre sehr unangenehm, wenn sie mich plötzlich entdeckten. Ärgerlich, daß ich das Auto an der Ecke stehengelassen
     habe, fast direkt vor Ihrem Haus. Aber Sie sind so gerannt, daß ich Angst hatte, Sie zu verlieren.
    Gerade ist Ihr Blick ein paarmal gleichgültig über mein Gesicht geglitten. Sie haben mich nicht erkannt, haben nichts begriffen,
     aber Ihnen ist mulmig zumute. Sie haben ein schlechtes Personengedächtnis, doch eine gute Intuition, Sie bemerken sofort,
     daß Sie verfolgt werden. Allerdingsnicht von mir allein, auch wenn ich seit dem frühen Morgen vor Ihrem Haus Wache gestanden habe, genau wie gestern und vorgestern.
     Ich muß wissen, wohin Sie gehen, was Sie vorhaben. Mit Interesse beobachte ich, wie sich Ihr Gesicht verändert. Sie empfinden
     Schmerz. Sie sind beunruhigt. Sie haben nicht nur den Mann verloren, den Sie von frühester Jugend an geliebt haben. Sie vertrauen
     Ihrem Ehemann nicht mehr. Das ist für mich das wichtigste. Das – nicht Ihr Schmerz. Ich bin schließlich kein Unmensch, ich
     habe nichts gegen Sie persönlich.
    Aber außer mir verfolgt Sie ein breitschultriger Bastard in Lederjacke von der Leibwache Ihres Mannes. Ihn haben Sie bemerkt,
     mich nicht. Ehrlich, das schmeichelt mir. Schließlich ist er ein Profi, ich dagegen bin nur ein armseliger kranker alter Mann.«
     
    Die große, gekrümmte Gestalt des ehemaligen Piloten huschte vorüber wie ein Schatten und löste sich in der Menge auf. Da der
     Bodyguard Nika folgte, galt seine ganze professionelle Aufmerksamkeit seinem Zielobjekt, also ihr. Nun, da das Zielobjekt
     neben ihm lief, blickte sich der Gorilla ständig nach allen Seiten um. Jegorow hielt es für besser, zu verschwinden.
    Nika konnte nicht ahnen, daß sie gleich von zwei Personen verfolgt wurde. Sie lief neben dem Bodyguard her und warf unter
     ihrem Mützenschirm hervor unruhige Blicke auf die Leute um sie herum. Jegorow bemerkte noch, wie unangenehm ihr die Gegenwart
     des Gorillas war und wie verärgert der seinerseits darüber, daß sie ihn entdeckt hatte.
    Pech für dich, Kumpel, dachte Jegorow schadenfroh, verließ die Metro und verschwand in einem dunklen Hauseingang.
    Er fror, zupfte dauernd seinen Schal zurecht und prüfte mechanisch, ob seine Jacke zugeknöpft war. Er wurde nie richtig warm,
     nicht einmal im Sommer bei dreißig Grad Hitze oder zu Hause, bei abgedichteten Fenstern und mit mehreren Elektroheizern. Im
     feuchten Maiwind aber zitterte er regelrecht vor Kälte. Im Auto ließ er ständig die Heizung laufen, trotzdem blieben seine
     Hände eiskalt.
    Er war seit langem völlig ausgebrannt, in seinem Innern war nichts als kalte Asche.
    In den letzten vier Jahren hatte er fast genauso gelebt wie Fedja. Seine Welt war gänzlich abgeschottet. Von allen Gefühlen,
     die der Mensch empfinden kann, besaß er nur noch zwei: Liebe und Haß.
    Nikita Rakitin war der erste und einzige Mensch, dem Jegorow alles von Anfang bis Ende erzählt hatte. Sie kannten sich seit
     vielen Jahren. Das heißt, sie hatten sich in der Jugend kennengelernt, waren eine Zeitlang befreundet gewesen und hatten sich
     aus den Augen verloren, vom Leben in verschiedene Richtungen verschlagen. Doch die Sympathie füreinander hatten sie sich bewahrt.
     Und die Telefonnummern in alten Notizbüchern.
    Vor langer Zeit hatte Grischa Russow seinen Freund und Landsmann, den Schüler der Fliegerschule Iwan Jegorow, mitgenommen
     zu den Rakitins. Iwan

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