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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Borschtsch.
     Da klapperte neben ihm ein Eimer, und ein nasser Lappen klatschte auf den Boden. Ein dürres Mädchen im schmutzigen weißen
     Kittel wischte direkt unter seinem Tisch, um seine Füße herum, den Boden, dann stellte sie den Schrubber ab und fuhr mit dem
     stinkenden Lappen über seinen Tisch.
    »Hören Sie«, sagte Nikita, »ich esse, nebenbei bemerkt. Ihr Lappen stinkt unerträglich.«
    »He, Süßer, was willst du?« keifte die Kleine. »Ich mach hier meine Arbeit, ich wisch die Tische ab, wann’s mir paßt. Und
     der Lappen ist sauber, der kann gar nicht stinken. Mein Gott – Rakitin, du?«
     
    Auf Russows Visitenkarte stand nur seine Dienstnummer. Und da erreichte Jegorow ihn nie. Russow hielt es offenbar nicht in
     seinem Büro.
    »Rufen Sie bitte in einer Stunde wieder an«, sagte die Sekretärin freundlich.
    »Heute kommt Grigori Petrowitsch nicht mehr«, teilte sie ihm mit, als er nach einer Stunde erneut anrief, »und morgen fliegt
     er nach Belgien.«
    »Könnten Sie mir nicht seine Privatnummer geben?« wagte Jegorow zu fragen. »Ich bin ein Landsmann, ein Jugendfreund.«
    »Verzeihen Sie, aber wenn Grigori Petrowitsch es nicht für nötig gehalten hat, Ihnen seine Privatnummer zu geben, dann darf
     ich nicht einfach …«
    Von dem lächelnden Privatdetektiv Viktjuk erfuhr Jegorow auch nichts Neues. Er rief ihn jeden Tag an und bekam immer dasselbe
     zu hören: »Keine Sorge. Wir arbeiten an Ihrem Fall.«
    Jedesmal, wenn er nach drei, vier Tagen von einem Flug zurückkam, wußte er nicht, was er mehr fürchtete – die erdgrauen Gesichter
     seiner Frau und seiner Kinder zu sehen und das eisige Schweigen zu ertragen oder festzustellen, daß alle drei verschwunden
     waren.
    Wenn der Guru und die Leute, die hinter ihm standen, an Geld interessiert wären, dann würde Oxana mit allen Mitteln versuchen,
     von ihrem Mann welches zu bekommen. Sie selbst arbeitete seit langem nicht mehr, sie kümmerte sich nur um den Haushalt und
     die Kinder. Jegorows Pilotengehalt reichte zum Leben. Schmuck oder andere teure Dinge besaßen sie nicht, das wertvollste war
     die Wohnung. Aber über die Wohnung, über einen Tausch verlor Oxana kein Wort.
    Eines Tages bemerkte er auf Fedjas Brust, direkt unterm spitzen Schlüsselbein, eine schwarze Tätowierung, einen fünfzackigen
     Stern in einem Kreis.
    »Was ist das, mein Sohn?«
    »Das Zeichen der Weihe«, antwortete der Junge mit dumpfer Stimme.
    »Aber das tut doch weh, und außerdem, verstehst du, das behältst du dein Leben lang. Eine Tätowierung bekommt man schwer wieder
     weg. Sieh mal, deine Haut ist ganz entzündet, du hättest dir eine Blutvergiftung holen können.« Er wollte seinen Sohn umarmen
     und spürte, wie schrecklich mager er war. Für einen Augenblick schien es Jegorow, als presse sich der Junge an ihn, als habe
     die eisige Wand einen kleinen Riß bekommen.
    »Hör mir zu, mein Sohn, wir beide sollten für eine Weile wegfahren«, flüsterte Jegorow hitzig, »so kann man nicht leben, du
     mußt zur Schule, mußt dich normal ernähren.«
    »Papa, ich habe Angst«, sagte Fedja kaum hörbar.
    »Hab keine Angst, mein Kleiner, du wirst einfach nicht mehr dort hingehen.« Jegorow preßte den Kopf des Jungen an seine Brust,
     doch der Junge wich zurück.
    »Ich habe Angst, wenn ich dir zuhöre, Papa. Du verstehst überhaupt nichts. Du bist ein lebender Leichnam.« Fedja hob den Kopf,
     und aus den blauen Augen blickte Jegorow eisige Leere an.
    Am nächsten Tag ging er zu der Adresse, die auf Russows Visitenkarte stand. Der Wachmann an der Tür des respekteinflößenden
     Verwaltungsgebäudes kam gar nicht auf die Idee, den stattlichen großen Mann in Fliegeruniform aufzuhalten. Jegorow lief hinauf
     in den ersten Stock und fragte das erstbeste Fräulein nach Russows Büro.
    »Den Flur runter rechts.«
    Das Vorzimmer war leer. Jegorow ging zur Bürotür, doch die war abgeschlossen. Auf dem Tisch der Sekretärin schrillte das Telefon,
     Jegorow zuckte zusammen, rannte impulsiv hin und wollte schon abheben, tat es natürlich doch nicht, bemerkte aber neben dem
     Telefon einen offenen Schreibtischkalender. Er konnte gerade noch eine Eintragung für den heutigen Tag erkennen: 19.30 Uhr,
     Rest. WEST, Shanli, Sep.
    «Was machen Sie hier?!« rief eine empörte Stimme.
    An der Tür stand eine mollige Blondine mit einem Tablett voller umgedrehter nasser Kaffeetassen.
    »Guten Tag.« Jegorow lächelte, trat vom Tisch zurück und ließ sich in einem Sessel

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