Für Nikita
Er ist eben wiedergefunden worden. Schwein gehabt. Blöde haben immer Schwein.
Siebentes Kapitel
Ein schwarzer Jeep raste mit hundertfünfzig Sachen die Pjatnizkaja-Chaussee entlang, in finsterer, nebliger Nacht. Die schütteren
Wäldchen bei Moskau wirkten in der Dunkelheit wie dichter schwarzer Wald. In den Ortschaften am Weg war kein einziges Fenster
erleuchtet.
Der Jeep raste in Richtung Solnetschnogorsk. Eine dicke Dreckschicht verbarg die Nummernschilder, aber das spielte keine Rolle
– sie waren sowieso gefälscht.
Im Wagen saßen drei Männer. Jung, durchtrainiert, Goldschmuck an Fingern, Handgelenken und um die dicken Stiernacken. Die
Lichter der entgegenkommenden Autos streiften ihre finsteren Gesichter.
Der Mann neben dem Fahrer hielt ein Funktelefon in der Hand.
»Ja, wir erledigen ihn, keine Sorge. Aber das mit dem Geld muß noch geklärt werden. Nicht wir haben Scheiße gebaut, deine
Information war falsch. Du hast uns auflaufen lassen. Wie? Tu nicht so, das weißt du ganz genau. Erstens hat der Junge ein
phantastisches Reaktionsvermögen, dabei hast du behauptet, er wäre ein Volltrottel. Klar, für einen Volltrottel reichen auch
fünfundzwanzig. Was sagst du? In Wychino, ja? Ja. Hausnummer? Alles klar. Wird morgen erledigt.«
»Der regt sich echt noch auf, ja?« sagte der Fahrer, als der andere das Telefon ausgeschaltet hatte.
Der lachte. »Alter Klugscheißer. Weißt du, wieso er angerufen hat? Er hat rausgekriegt, wo der Klient untergekrochen sein
kann. Da sollen wir jetzt hinfahren, sofort, sagt er.«
»Der meint wohl, wir sind seine Laufburschen, echt! Das soll er erst mal selber überprüfen. Oder er zahlt uns das Doppelte«,
äußerte auf dem Rücksitz der jüngste der drei seine Meinung.
Hinter einer Kurve war ein weites, offenes Gelände mit mächtigen, zweistöckigen Villen bebaut. Die Siedlung war gerade erst
fertiggestellt worden, noch wohnte dort niemand. Die Häuser waren für wohlhabende Besitzer gedacht. Jedes hatte einen Wintergarten,
nach westlicher Sitte mehrere Bäder und außerdem einen speziellen Fitneßraum, in dem sich eine Wand gänzlich hochschieben
ließ, falls der Hausherr Lust hatte, seine Muskeln im Freien zu trainieren.
Doch vorerst war die Siedlung leer und still. Nur in einer Villa, direkt am Rand eines Eichenwäldchens, schimmerte im zweiten
Stock ein schwaches Licht. Dort brannte in einemleeren Zimmer romantisch eine Kerze. Der Hausherr der Villa, ein Geschäftsmann in mittleren Jahren, hatte seine neue Sekretärin
eingeladen, das Haus zu besichtigen, und niemanden davon informiert, nicht einmal seine Leibwache. Sehr leichtsinnig, aber
der Geschäftsmann brauchte ein bißchen Entspannung und wollte seine neue Mitarbeiterin näher kennenlernen, und seine Frau,
eine wachsame und ziemlich impulsive Dame, könnte ernsthaft sauer reagieren, wenn einer von seinen Leibwächtern sich womöglich
verplapperte.
Die drei im Jeep warteten schon lange auf eine passende Gelegenheit, mit dem Geschäftsmann ein paar heikle Dinge zu besprechen.
Er schuldete ihnen Geld und wollte es nicht zurückzahlen.
Der Fahrer drosselte das Tempo und schaltete die Scheinwerfer aus.
»Geh mal rüber, Sewa, und sieh nach, wer da drin ist«, sagte er zu dem Jüngsten.
Sewa war aufgeregter als seine beiden Kameraden. Gezieltes Totschießen, das war ihm geläufig, aber Schulden eintreiben war
etwas anderes als eine MPi-Salve auf ein bewegliches Ziel.
Er sah beeindruckende Szenen aus coolen Actionfilmen vor sich: der Schuldner, zitternd, mit kaltem Schweiß bedeckt, eine Plastiktüte
über dem Kopf, und ein schönes, selbstredend nacktes Mädchen mit einem Knebel im Mund auf dem Fußboden. Bilder, die ihn zugleich
erschreckten und erregten. Sewa kroch aus dem Wagen und lief geduckt hinüber zur Villa.
Es war alles ruhig. Ein leerer dunkler Saab war am Eichenwäldchen hinter der Villa geparkt. Oben huschte hinter einem riesigen
nackten Fenster ein Schatten vorüber. Langes, offenes Haar, schlanke, hochgereckte Arme. Danebentauchte die Silhouette eines Männerkopfes mit dickem Hals und Segelohren auf. Sie waren also da, und zwar nur zu zweit.
Lautlos stieg Sewa die hohe Treppe hinauf, rüttelte sacht an der Tür, überzeugte sich, daß sie einstweilen lediglich mit einem
simplen Riegel verschlossen war, und lief zurück zum Jeep.
Noch immer flackerte im zweiten Stock die Kerzenflamme. Wieder erschienen die beiden Schatten, die Frau und der
Weitere Kostenlose Bücher