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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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rechtmäßigen Thronerben der Region. Manche lächelten.
    In der ersten Reihe leuchtete Nikas blasses, großäugiges Gesicht. Ihre Hände trommelten zerstreut auf dem Verschluß ihrer
     kleinen Handtasche. Das Kinn erhoben, die schmalen Schultern gereckt, stand auch sie, wie alle im Saal, rührte jedoch die
     schlanken Hände nicht zum Beifall.
    Er sah, wie die blaue Ader an ihrem langen Hals pulsierte und wie der Lufthauch, den der Beifall erzeugte, eine leichte Strähne
     an ihrer Schläfe bewegte. Vergeblich versuchte er,ihren weggleitenden, im Scheinwerferlicht schmelzenden Blick festzuhalten.
     
    Ganz in der Nähe des Konzertsaals stand in einer leeren dunklen Gasse ein alter Saporoshez. Am Steuer saß ein hagerer, gebeugter
     Mann. Er hatte den winzigen Bildschirm eines akkubetriebenen tragbaren Fernsehers vor sich. Die Antenne taugte nicht viel,
     das Schwarzweißbild verschwamm und zitterte. Doch der Mann starrte wie gebannt darauf, in die Augen von Veronika Jelagina.
    »Sie haben abgenommen, Frau Gouverneur,« murmelte er vor sich hin, »und sehen erschöpft aus. Anstatt sich über den glänzenden
     Sieg Ihres Gatten zu freuen, haben Sie heute geweint, Madame. Das hat niemand gesehen. Recht so. Weinen sollte man lieber
     allein. Die Welt ist grausam, Mitleid hat sowieso keiner. Jetzt schauen Sie in die Kamera, mir direkt in die Augen, und überlegen,
     wie Sie nun weiterleben sollen. Das heißt, eigentlich haben Sie schon eine Entscheidung getroffen. In zwanzig Minuten werden
     Sie klammheimlich die Feier verlassen, in mein Auto steigen, und dann werde ich, der zufällige Fahrer eines häßlichen Saporoshez,
     Sie, die Frau Gouverneur, zum Flughafen bringen. Sie haben sich bereits entschieden, auch wenn Sie es sich selbst nicht eingestehen
     wollen. Sie hassen Sackgassen, Sie suchen hartnäckig nach einem Ausweg, selbst dort, wo ringsum nur dichte Mauern sind. Aber
     in einer solchen Sackgasse waren Sie noch nie, Madame.«
     
    Die Übertragung wurde durch eine Werbepause unterbrochen. Der Mann im Saporoshez schaltete den Fernseher aus und sah zur Uhr.
    »Na, nun wird’s eigentlich Zeit«, murmelte er. »Ah, da ist sie ja schon.«
    Am Ende der Gasse erschien eine dünne, kleine Gestalt in einem weiten, sackartigen Pullover und mit einem Rucksack auf dem
     Rücken. Der Fahrer stellte den Fernseher unter den Sitz und deckte einen Putzlappen darüber.
    »Sie sind schon hier?« fragte Sina Resnikowa und stieg ins Auto.
    »Wie verabredet«, antwortete der Fahrer. »Kommt Ihre Freundin auch nicht zu spät?«
    »Nein. Sie ist immer pünktlich.«
     
    Der Gefeierte ließ seinen Blick über den Bankettsaal schweifen: Champagnerflaschen in beschlagenen silbernen Eimern, Kaviarberge,
     umrahmt von zarten Salatblättern, blaßrosa Spanferkel auf ovalen Platten. Die geladenen Gäste nahmen geschäftig Platz und
     klapperten mit dem Besteck.
    Der Gouverneur nickte zerstreut, lächelte und beantwortete Fragen, ohne seine eigene Stimme zu hören. Als endlich alle Gäste
     die ihrem Rang entsprechenden Plätze eingenommen hatten, trat eine lange, erwartungsvolle Pause ein. Allen in dem riesigen
     Saal fiel auf, daß ein Ehrenplatz am Kopf der Tafel, neben dem Gouverneur, leer war. Nur Herr Russow selbst schien die Abwesenheit
     seiner schweigsamen, stets ruhigen, schönen Frau nicht zu bemerken.
    Toasts wurden ausgebracht, erst offizielle, dann ungezwungenere. Gut geschulte Kellner huschten leicht und lautlos wie Gespenster
     hinter der Tafel hin und her. Die Gesichter röteten sich immer mehr, das Lachen wurde immer lauter.
    Ein letztes Mal trat Schweigen ein, als bei gedämpftem Licht zu den Klängen von Tschaikowskis Erster Sinfonie eine gewaltige
     Torte hereingetragen wurde, verziert mit einem Bohrturm aus Schokolade und Birken aus Zuckerguß mit grellgrünen Geleeblättern.
    Zu einem nervösen Geigensolo rammte der Herr Gouverneur gnadenlos ein Messer in das Meisterwerk des Konditors, das Licht flammte
     wieder auf, der Bohrturm stürzte ein, die Birken zerbröselten, und die nun vollkommen entspannten Gäste stürzten sich auf
     Obst und Dessert.
    Der Gouverneur rauchte, trank bitteren schwarzen Kaffee und beantwortete zerstreut die Fragen der zum herrschaftlichen Tisch
     zugelassenen Journalisten.
    »Grigori Petrowitsch, wo ist denn Ihre Frau?« Erst als jemand diese Frage zum drittenmal stellte, hartnäckig und ungeniert,
     zuckte er zusammen.
    »Wahrscheinlich kurz hinausgegangen«, wiederholte er seine Antwort

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