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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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bitte Sie sehr, mich nicht zu unterbrechen«, flüsterte sie hastig und hob abwehrend den molligen Arm. »Zuerst erzähle
     ich Ihnen alles, was ich weiß, und dann können Sie Ihre Fragen stellen. Das ist mir lieber.«
    »Bitte. Ich höre.«
    »Ich bin studierte Psychologin, beherrsche zwei Fremdsprachen, Englisch und Französisch, und finde trotzdem keine Arbeit«,
     begann sie, und ihre Stimme klang nun betont ruhig, was unterschwellige Hysterie verriet. »In dieser schrecklichen Zeit werden
     Profis nicht gebraucht. Aber ich habe ein Kind. Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Aber Sie verstehen mich sicher trotzdem. Also. Ich habe mich lange qualvoll bemüht, eine anständige Arbeit in meinem Beruf
     zu finden. Jedesmal vergeblich. Vor drei Monaten bekam ich plötzlich ein Angebot, das mir durchaus seriös erschien und vor
     allem zuverlässig und dauerhaft. Es ging um die Gründung einer Firma, das heißt einer GmbH. Immobilienhandel. Mir wurde nicht
     nur eine Stelle angeboten, sondern eine Beteiligung, das heißt, ich sollte einen Teil der Aktien erwerben, und zwar zu äußerst
     günstigen Bedingungen. Natürlich besaß ich die nötige Summe nicht – wie auch. Aber es gab eine Variante, die ich akzeptabel
     fand.« Ihr monotoner, scheinbar ruhiger Ton drohte jeden Augenblick in Schluchzen umzuschlagen.
    »Verzeihen Sie, Galina Iwanowna«, unterbrach sie der Hauptmann vorsichtig. »Ich würde doch gern erfahren, wann Sie Nikita
     Jurjewitsch das letztemal gesehen haben.«
    »Sie sollen mich nicht unterbrechen!« Die Hysterie schien kaum noch zu unterdrücken, ihre Stimme hatte nun einen unangenehm
     schrillen Unterton. »Begreifen Sie denn nicht, wie schwer das alles für mich ist? Ich weiß nicht, wohin mit mir, das ist ein
     furchtbares Trauma. Bitte lassen Sie mich ausreden. Und dann stellen Sie Ihre Fragen.«
    »Gut, wenn Ihnen das leichter fällt. Ich höre, Galina Iwanowna.«
    »Also, ich bekam ein günstiges Angebot. Statt das Geld einzuzahlen sollte ich nur ein Papier unterschreiben, daß ich den Betrag
     bei einer anderen Firma geliehen hätte, und mit dieser Quittung sollte mein Aktienanteil beglichen werden. Man erklärte mir,
     das sei eine reine Formalität für irgendwelche offiziellen Instanzen. Die Quittung war nur ein Blatt Papier, nicht einmal
     notariell beglaubigt. Die Leute, die mir das Angebot unterbreiteten, wirkten vertrauenerweckend. Ich bin immerhin Psychologin
     und kann Menschen beurteilen.«
    »Geht es vielleicht etwas konkreter? Was waren das für Leute? Wo und wie haben Sie die kennengelernt? Namen, Telefonnummern?«
    »Sie haben immer mich angerufen. Meine Daten sind bei einer Arbeitsvermittlung erfaßt.«
    »Das heißt, niemand hat Ihnen diese Leute empfohlen?«
    »Also wissen Sie, wenn man auf eine Empfehlung wartet, dann bleibt man bis ins hohe Alter arbeitslos.« Sie zuckte empört
     mit den Schultern. »Heutzutage muß man nach jeder Chance greifen.«
    »Moment mal«, unterbrach Leontjew, »Sie haben alsovöllig Unbekannten einen Schuldschein unterschrieben, obwohl Sie sich in Wirklichkeit gar kein Geld geliehen hatten? Wie hoch
     war denn die Summe?«
    »Fünfzigtausend Dollar. Hören Sie, wie heißen Sie noch …«
    »Andrej Michailowitsch.«
    »Also, Andrej Michailowitsch, entschuldigen Sie, aber stellen Sie mich bitte nicht als Idiotin hin. Das Ganze wirkte sehr
     seriös. Ich reichte eine Bewerbung ein, füllte einen Fragebogen aus, wurde eingestellt und bekam einen Vorschuß ausgezahlt,
     fünfhundert Dollar. Erst danach unterschrieb ich den Schuldschein. Verstehen Sie doch, das war eine reine Formalität. Mir
     wurde versichert, niemand würde dieses Geld je von mir verlangen. Und ich war damals so fertig von der Arbeitssuche, ich war
     total am Ende. Wissen Sie, was es für jemanden mit meinem Niveau, mit meiner Qualifikation, mit meiner beruflichen Erfahrung
     …«
    »Na schön« – dem Hauptmann riß der Geduldsfaden –, »haben Sie denn noch irgendwelche Unterlagen?«
    »Nein. Die hat alle Nikita mitgenommen. Ich hatte eine Kopie des Schuldscheins, den Fragebogen, eine ganze Menge Papiere.
     Unterbrechen Sie mich nicht, jetzt komme ich zum Wichtigsten. Nach ein paar Tagen bekam ich einen Anruf: Ich wurde sehr grob
     aufgefordert, das Geld zurückzuzahlen. Selbstverständlich versuchte ich sofort, mich mit den Leuten in Verbindung zu setzen,
     aber sie waren verschwunden. Ihre Telefone waren tot – ich hatte zwei Mobiltelefonnummern, aber da hörte ich immer

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