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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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keinen Sinn gehabt.
    »Sie müssen seine Kleidung und Wertsachen abholen und dafür quittieren«, sagte sie, griff zum Telefon und gab rasch einen
     Nummerncode durch. Ein paar Minuten später erschien ein finsterer Riese im grünen Kittel und legte wortlos eine winzige Plastetüte
     mit einem braunen Kunstlederschildchen auf den Tisch.
    Darin lagen eine antikes goldenes Kreuz und ein Stück von einer Goldkette. Das Kreuz war verbogen und anscheinend angeschmolzen.
    Das Kreuz hatte einmal Sergej Sokownin gehört, Nikitas Urgroßonkel. Ein eindeutiges Erkennungszeichen. Nikita nahm das Kreuz
     nie ab – deswegen waren seine Eltern sogar mehrmals in die Schule bestellt worden.
    Olga preßte die Hand um das Kreuz. Ihr Mann unterschrieb an der Stelle, auf die der violette Fingernagel zeigte. Dann ging
     ihm flüchtig durch den Kopf, daß noch ein weitererGegenstand, von dem Nikita sich nie trennte, bei dem Brand unversehrt geblieben sein müßte. Er wollte danach fragen, unterließ
     es aber.
     
    Der Stoff in der Kaffeebüchse gehörte zu einer neuen Generation von Designerdrogen, hieß Psilocybin und war in Rußland ziemlich
     selten.
    Im Drogendezernat erfuhr Leontjew, daß es bislang aufgrund der geringen Verbreitung keine Informationen über die Quellen gebe.
    Wie viele synthetische Drogen wirkt Psilocybin schnell und heftig und macht sofort abhängig. Nach einer Woche regelmäßigen
     Konsums entwickelt sich leichter Schwachsinn, in Gehirn und Zentralnervensystem kommt es zu unumkehrbaren Veränderungen. Bei
     der geringsten Überdosierung kann augenblicklich der Tod eintreten. Psilocybin ist gut in Wasser löslich, noch besser in Alkohol.
     Eine Dosis von zehn Milligramm kann als schnell wirkendes Gift verwendet werden.
    »Hundert Gramm Psilocybin, das sind rund tausend Dollar«, sagte der Drogenexperte.
    Ein gängiger Vorschuß für einen Killer, überlegte Leontjew. Wenn der Killer nur einmal eingesetzt werden sollte und überdies
     an der Nadel hing, dann war er vermutlich nicht mehr am Leben. Also hatte es gar keinen Sinn, weiter nach Anton zu suchen?
     Ein Profikiller hätte sich nicht im Nachbaraufgang einquartiert oder zumindest dort keine Waffen und Drogen aufbewahrt. Ganz
     versunken in diese Gedanken, hätte Leontjew beinahe seine Station verpaßt. Er sprang im letzten Augenblick aus der Metro und
     rannte los, obwohl er sich gar nicht beeilen mußte. Rakitins Exfrau Galina Rakitina erwartete ihn um halb fünf, und es war
     gerade vier. In der stillen Gasse bremste er seine Schritte undzwang sich zur Ruhe, um sich auf das bevorstehende Gespräch zu konzentrieren.
    Eine hochgewachsene, ziemlich üppige Brünette öffnete ihm. Ein großer, grell geschminkter Mund, hervorquellende feuchte Augen.
    »Er wurde ermordet«, verkündete sie laut und feierlich, sobald der Hauptmann eingetreten war, »das weiß ich ganz genau.«
    »Warum glauben Sie das?« fragte Leontjew, zog den Mantel aus und hängte ihn auf.
    »Mit Glauben hat das nichts zu tun. Kommen Sie herein. Ich erzähle Ihnen gleich alles.«
    In der Wohnung herrschte ideale, nahezu sterile Sauberkeit. Kein einziges Staubkorn. Offensichtlich war hier erst kürzlich
     renoviert worden; es gab wenig Möbel, aber alles war neu, praktisch und bequem, echtes Holz. Der Hauptmann registrierte mechanisch,
     daß die Exfrau des berühmten Schriftstellers, allein lebend und arbeitslos, keineswegs Not litt.
    »Ziehen Sie bitte Pantoffeln an«, sagte die Hausfrau erschrocken, als er den hellen, lackierten Wohnzimmerfußboden betrat.
    »Ja, natürlich, Entschuldigung.« Der Hauptmann ging wieder in den Flur, zog die Schuhe aus und schlüpfte in weiche Pantoffeln,
     von denen etwa zehn Paar in einem Filzbeutel im Flur hingen.
    Wie im Museum, dachte er und setzte sich in einen Samtsessel neben einem kleinen Couchtisch.
    »Geraucht wird bei uns nicht«, sagte die Hausherrin, obwohl er gar keine Anstalten machte, seine Zigaretten vorzuholen.
    Sie ließ sich ihm gegenüber nieder, musterte ihn mit einem kühlen, abschätzigen Blick, dann seufzte sie tief, und ihr Gesichtbekam plötzlich einen traurigen, ja kläglichen Ausdruck. In den vorquellenden großen Augen glitzerten Tränen.
    »Das ist ein solcher Kummer«, flüsterte sie. »Sie wissen ja, wir sind seit langem geschieden, aber wir standen uns noch immer
     sehr nahe.«
    »Ja, ich verstehe.« Der Hauptmann nickte. »Sagen Sie, Galina Nikolajewna, wann haben Sie Nikita Jurjewitsch das letztemal
     gesehen?«
    »Ich

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