Für Sloane ging sie durchs Feuer
erfahren. Die Vorschriften im City Prison waren sehr streng. Wer vom Oberaufseher mit Schmuggelgut erwischt wurde, wanderte für eine Woche in die Dunkelzelle.
Immer wieder suchte Martha den Blick des Rattenmannes.
Schließlich wanderten seine Augen einmal zu ihr herüber, und sie zwinkerte ihm herausfordernd zu.
McPray runzelte die Stirn.
Martha zwinkerte ein zweites Mal.
Es dauerte nicht lange, und der Aufseher löste sich aus der Schar seiner Kollegen. Das Gewehr lässig über die Schulter gelegt, schlenderte er in ihre Richtung.
Vor Spannung hielt Martha den Atem an. Sie blickte zu den anderen Gefangenen hinüber, die sich hier und da zu kleinen Gruppen versammelt hatten. Dish und die Giftmörderin standen bei zwei blutjungen Frauen, die bei einem Zugüberfall einen Passagier getötet und den Schaffner schwer verwundet hatten.
McPray kam näher und baute sich vor ihr auf. Ungeniert betrachtete er ihre Brustpartie.
»Ich brauche etwas«, sagte Martha.
»Ach ja?« Er schien uninteressiert, aber Martha glaubte ein Auffunkeln in seinen Rattenaugen zu bemerken.
Sie hob die Hand, an dem der Ring schillerte, und fuhr sich durch ihren Rotschopf. »Wenn Sie mir etwas Bestimmtes beschaffen können, gebe ich Ihnen den Ring dafür. Ein Erbstück aus reinem Gold. Sie machen einen Riesenreibach.«
McPray zwirbelte ein Schnurrbartende. »Für wen hältst du mich, Coffins?«, grunzte er. »Sehe ich aus wie eine gottverdammte Elster?«
Nein, eher wie eine Ratte, dachte Martha. Laut sagte sie: »Wenn Sie ihn verkaufen, zahlt Ihnen jeder Händler garantiert einen Hunderter dafür, wenn nicht mehr.«
McPray betrachtete den Ring.
»Besorgen Sie mir ein Messer, dann gehört er Ihnen.«
»Ein Messer? Wozu?«
»Dish«, antwortete sie.
Der Mann starrte sie an. »Willst du sie kaltmachen?«
»Nein, nur auf Abstand halten.«
»Verstehe.«
Martha nahm die Hand vom Kopf. »Kommen wir ins Geschäft, … Mr. McPray?« Sie schnaufte, um ein Haar hätte sie ihn Ratman genannt.
Er spielte an seinem Gewehr herum, während er über den Wachturm hinweg in den Himmel blickte.
Martha stand wie auf Kohlen. Sie bemühte sich, möglichst teilnahmslos zu erscheinen. Von McPrays Antwort hing sehr viel ab. Sie hoffte inständig, dass seine Gier auf den Ring groß genug war, um auf den Deal einzugehen.
»Was soll es für ein Messer sein?«, raunte er.
»Egal, je kleiner, desto besser. Hauptsache, es hat eine scharfe Klinge.«
»Zweischneidig?«
Sie nickte stumm.
Der Wachmann heftete noch einmal den Blick auf den funkelnden Ring an ihrer Hand. »Morgen hast du, was du willst«, sagte er dann.
Martha fühlte grenzenlose Erleichterung. Mit der Waffe würde sich ihr Dasein auf einen Schlag verbessern. Sobald Dish merkte, dass sie nicht mehr wehrlos war, würde sie ihre Schikanen einstellen. Mehr wollte Martha nicht.
Aus schmalen Augen sah sie zu, wie McPray zu den anderen Wärtern zurückging. Einer der Männer erzählte gerade einen Witz, und sie brachen in übermütiges Gelächter aus.
Gleich darauf schrillte eine Pfeife.
Der Hofgang war beendet. Von den Wärtern flankiert, trotteten die Frauen gemächlich auf das weit offen stehende Portal zu.
Martha mischte sich unter sie. Lange war sie nicht mehr so guter Stimmung gewesen. Doch als Dish ihr im Flur brutal den Ellbogen in die Seite rammte, war ihre gute Laune auf einen Schlag dahin.
Oh, wie sie sich den morgigen Tag herbeisehnte …
***
Nach der Liebesnacht mit der hemmungslosen Schneiderin hatte Lassiter acht Stunden am Stück geschlafen.
Als er aufwachte, fühlte er sich wie neugeboren. Er stand auf, zog sich die Hose an und trat mit freiem Oberkörper auf den Hinterhof, um sich an der Regentonne zu waschen.
Katy erwartete ihn bereits mit dem Frühstück. Sie hatte einen grob gehobelten Einbeintisch vor die Tür gestellt und ihn liebevoll gedeckt. Neben einem Tischtuch gab es sogar eine Vase mit frisch gepflückten Wildblumen, dazu mintgrüne Mundservietten aus Stoff.
»Guten Morgen, Katy«, sagte er. »Hast du genauso gut geschlafen wie ich?«
Sie lächelte verschmitzt. »Ich fürchte, sogar noch einen Tick besser.«
Er trat zu ihr, hauchte ihr einen Kuss aufs Ohr und spürte, wie sie erschauderte.
»Der Kaffee ist fertig«, erklärte sie dann. »Speck und Eier sind auch soweit. Wenn du magst, können wir sofort essen.«
Lassiter, der eigentlich vorhatte, sich vorher zu waschen, konnte der Verlockung nicht widerstehen. Er rückte sich einen Hocker zurecht,
Weitere Kostenlose Bücher