Fuer Wunder ist es nie zu spaet
man
keine Spur, und dann Maja, die behauptet, einsam zu sein, obwohl sie einen Mann
hat . . . Und diese Karin, gestern noch so wahnsinnig weltgewandt und arrogant
freundlich, war heute das übelste Wrack. Und schließlich der Typ mit den
seltsamen Haaren. Jens. Eigentlich ein ganz netter Kerl. Lacht total
sympathisch. Scheint okay zu sein . . .
Alex hat gestern eine SMS von Daniella gekriegt. Die hatte
ihn ganz offen angegraben, wollte in der Schule immer auf seinem Schoß sitzen
und, wenn sie besoffen war, mit ihm rummachen. Betrunkene Chicks, pfui Teufel,
das geht gar nicht. Das geht so was von überhaupt nicht.
Irgendwie ist das alles so kompliziert. Denn wenn sie besoffen sind,
dann sind sie unheimlich scharf und wollen, dass man mit ihnen nach Hause geht
und mit ihnen schläft und so. Aber wenn sie nüchtern sind, passiert gar nichts,
auch wenn man selbst scharf ist. Nur besoffene Tussen wollen Sex, nüchterne
wollen nicht.
Er selbst trinkt ja nie. Und poppen tut er übrigens auch nicht. Kein
einziges Mal bisher. Nicht mal ein halbes Mal. Verdammte Zwickmühle. Vielleicht
sollte er sich mal richtig volllaufen lassen, dann Daniella anrufen und endlich
mal die Sache erledigen. Er könnte sie doch hierherlocken. Hier gibt es
todsicher genug Alkohol, und dann können sie oben in seinem Zimmer poppen, das
würde ihr sicher gefallen, ist doch ein echtes Tussenzimmer.
Alex rennt weiter, immer schneller. Plötzlich stolpert er fast über
ein Eisenbahngleis. Mitten im Wald? Scheißegal. Er rennt am Gleis entlang.
Sieht sich selbst mit einem Mädchen, mit ihr schlafen. Alle glauben, dass er es
schon getan hat, er sieht schließlich aus wie einer, der es schon oft getan
hat. Wie einer, der genau weiß, wie man es macht, wie man rummacht und poppt
und . . . verdammt.
Schneller, Alex, schneller. Nee, er traut sich gar nichts. Er traut
sich nicht, sich mal lächerlich zu machen, traut sich nicht, immer noch
Jungfrau zu sein, er traut sich nicht zu trinken, traut sich nicht zu vögeln,
traut sich nicht, in der Gruppe dabei zu sein. Er rennt immer schneller, denn
das traut er sich. Niemand rennt schneller, ist ausdauernder als er. Er ist
schon ein ganz schöner Fake.
Maja klopft zum vierten Mal an die Tür. Von drinnen ertönen
die Lieder der Uraltband »Nationalteatern«, die Pelle auf volle Lautstärke
gedreht hat. Er hört sich an, wie seine alten Kumpel ihre alternativen Songs
von damals singen. Wahrscheinlich ergeht er sich in angemoosten Erinnerungen an
Saufgelage, Feste, Frauen, die keine Anforderungen stellen, dankbare Frauen,
nette Frauen, seine Exfrau, seine Kinder, Maja, wie sie früher war,
ungefährlich und dankbar. Klopf, klopf, klopf, klopf, klopf,
klopf!
Keine Antwort. Neuer Song. »Aber nur, wenn meine Geliebte wartet«.
Die kraftvolle, kompromisslose Stimme von Totta Näslund, immer den Tränen nahe,
dringt aus dem Atelier. Maja hört auf zu klopfen und steht jetzt ganz still an
die kühle Steinwand gelehnt. Sie schließt die Augen und hört zu. Hört richtig
zu.
Wenn der Tag heute nicht eine endlose Landstraße wäre
und heut Nacht nicht ein wilder und verschlungener
Pfad
und das Morgen uns nicht so unendlich weit vorkäme,
dann wäre Einsamkeit ein Wort, das es nicht gibt.
Aber nur, wenn meine Geliebte wartet
und wenn ich ihr Herz sanft pochen hör,
nur wenn sie hier dicht neben mir läge,
könnte ich der werden, der ich gestern war.
Maja wischt sich die Tränen mit dem Handrücken ab und geht
hinauf, um zu sehen, ob einer der Gäste vielleicht frische Handtücher braucht.
Obwohl das eigentlich Josefins Aufgabe ist.
17
W enigstens war Pelle beim Abendessen
dabei. Und da war er wieder so charmant und nett und hat Geschichten erzählt,
über die alle gelacht oder gestaunt haben. Und er hat Platten aufgelegt, und
tatsächlich, in dem Song spielt Pelle Schlagzeug, und Pelle hat wirklich
zusammen mit dem großen Kim Larsen, dem dänischen Bob Dylan, das »Rocktöpfern«
erfunden. Dabei saßen sie jeder an einer Töpferscheibe, im Hintergrund hatten
sie extrem laute Rockmusik laufen, natürlich die Platten von Larsens eigener
Band »Gasolin’«, und dann haben sie drauflosgetöpfert, völlig ohne Ziel und
Plan. Pelle hat sogar eine ganze Ausstellung mit seinen rockgetöpferten
Objekten gemacht, und Karin kreischt begeistert, dass sie das unbedingt in dem
Artikel erwähnen muss. Vielleicht kann sie sogar mit Kim Larsen Kontakt
aufnehmen und einen Kommentar von ihm dazu
Weitere Kostenlose Bücher