Fuer Wunder ist es nie zu spaet
eine lange schwarze Schürze darüber und einen langen
grauen Rock. Die rosa Haube ist in der Hitze etwas warm, aber sie hält die
Haare gut aus dem Gesicht. Und die Kleider sind erstaunlich kühl. Dass ein
langer Rock und eine zugeknöpfte Bluse einen weniger schwitzen lassen als ein
Paar Shorts und ein T -Shirt, ist seltsam, aber wahr. Außerdem macht
alles mehr Spaß mit diesen Kleidern. Es würde sich falsch anfühlen, in
Jogginghosen in der großen schönen Küche zu stehen, nein, die Haube ist
lustiger und praktischer.
Josefin gießt den Joghurt in Glasschälchen, legt ein paar frisch
gepflückte Beeren obenauf und stellt sie zusammen mit zwei großen Gläsern
Eiswasser auf das alte Silbertablett. Barfuß geht sie die große, breite Treppe
hinauf und klopft an die Tür von Jens. Keine Antwort. Josefin ruft leise. Noch
immer keine Antwort. Wahrscheinlich schläft er.
Vorsichtig stellt sie Wasserglas und Joghurt vor seiner Tür ab, um
dann weiter zu Karins Zimmer zu gehen. Hier steht die Tür sperrangelweit offen.
Josefin klopft an den Türrahmen und schaut ins Zimmer, das völlig auf den Kopf
gestellt ist. Kissen und Decken liegen auf dem Fußboden verstreut, die Fenster
sind weit geöffnet, aber trotzdem liegt ein beißender Geruch von altem
abgestandenem Wein im Raum. In einer der Fensternischen liegen eine Hose und
ein Handy. Josefin sieht sich um, nein, Karin ist nicht da. Seltsam. Sie stellt
das Tablett auf der Marmorplatte des kleinen Schreibtischs ab, um die Hände
frei zu haben.
Da klingelt das Handy auf dem Fensterbrett. Josefin schaut auf das
Display. Es klingelt und klingelt. Und hört auf. Dann klingelt es wieder. Und
hört auf. Und klingelt wieder. Es muss etwas Wichtiges sein. Josefin ruft nach
Karin, keine Antwort. Nein, jetzt klingelt es schon wieder.
»Hallo, hier ist Josefin am Handy von Karin.«
»Hallo, mein Name ist Åsa Lundin aus der Klinik in Duvköping, ich
würde gern mit Karin Björg sprechen.«
»Sie ist im Moment nicht da, kann ich etwas ausrichten?«
»Wir rufen im Auftrag ihres Vaters an. Er würde sie so gerne sehen.
Die ganze Zeit bittet er uns, sie anzurufen, obwohl Frau Björg ja deutlich
zeigt, dass sie das nicht will. Bitte grüßen Sie sie von ihrem Vater. Und falls
sie es sich anders überlegt und von sich hören lassen will, dann sollte sie das
schnell tun.«
»Okay.«
»Danke und auf Wiederhören.«
Josefin legt das Handy in die Fensternische zurück. Was hatte dieses
Gespräch denn zu bedeuten? Und was passiert eigentlich gerade da unten auf dem
Steg?
Maja steht da und hält Jens fest umarmt, während Karin . . . Was
bitte ist da los?
»Na, hast du der Frau Lehrerin jetzt genug gepetzt?«
Karin schmeißt ihre Taschen auf den Steg, ihre Haare sind zerzaust,
und sie hat eine Fahne. Ihr Blick flackert.
Maja hält Jens immer noch umarmt, aber sie sieht Karin an.
»Ob er gepetzt hat? Was meinst du damit?«
»Was ich meine? Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung. Das Einzige, was
ich weiß, ist, dass ich nach Hause muss, und zwar sofort. Denn das hier
funktioniert nicht.«
Jens beugt sich hinab und fängt an, seine Kleidung vom Steg
aufzusammeln, zusammenzufalten und wieder in die Tasche zu stopfen. Karin wirft
ihm einen Blick zu.
»Bleib du nur hier, ich haue ab. Ruft man ein Bootstaxi, oder wie
läuft das?«
»Jetzt warte mal. Hier fährt keiner irgendwohin. Was ist denn los?
Karin?«
Maja versucht, Karin über den Arm zu streichen, aber die fährt
zurück, als hätte Maja mit einer brennenden Fackel gewedelt.
»Das kann Jens dir sicher erklären. Ich fahre, er kann bleiben. Dann
seid ihr die böse Hexe los. Oder, Jens? Das wird dann ganz ruhig und entspannt
für dich. Für euch alle. Alex, hast du ein Handy? Kannst du mir ein Boot
rufen?«
»Äh, ich weiß nicht, ich . . .«
Alex sitzt wie ein großes Fragezeichen auf der Bank, sieht zu Maja,
erhebt sich, setzt sich wieder hin.
Karin steht stocksteif auf dem Steg, umgeben von ihren Taschen. Alle
schweigen.
»Man braucht mehrere Stunden Vorlauf, wenn man ein Bootstaxi
bestellt, und ich werde keinen von euch irgendwo hinfahren, ehe wir das hier
nicht geklärt haben. Also müsst ihr hierbleiben, und wir reden. Wenn ihr danach
fahren wollt, bitte schön.«
Maja sieht erst Jens, dann Karin an.
»Aber ich muss hier weg!« Jens lässt die Tasche los und streift sich
die Sandalen von den Füßen. »Ich will nach Hause!«
Er reißt sich das Hemd vom Leib, schmeißt es auf den Steg, und dann
springt er.
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