Fuer Wunder ist es nie zu spaet
auf dem Weg die
breite Treppe hinauf. Sein Körper ist schwer, als wären seine Muskeln und der
Wille abgeschaltet und er nur noch eine massive Körperhülle. Sie schaffen es
die Treppe hinauf, den langen Flur hinunter und in das warme Schlafzimmer.
Fürsorglich geleitet Josefin Pelle in das große Bett, hebt seine
Beine hoch und legt ein zusätzliches Kissen unter seinen verschwitzten Nacken.
Sie feuchtet ein Handtuch an und wischt ihm das Gesicht ab, deckt ihn mit den
raschelnden Tüchern zu, öffnet das Fenster und wünscht ihm eine gute Nacht.
Pelle starrt ins Nichts, als Josefin die Tür hinter sich geschlossen
hat. Er hört ihren leichten Schritt durch den Flur und die Treppe hinunter,
dann wieder das Klappern in der Küche.
Pelle steht wieder auf und schleppt sich zum Fenster, das zum
Labyrinth weist. Das Labyrinth, dieses Dickicht von Gängen, aus denen man fast
nicht wieder herausfindet. Die Hand liegt fest auf dem Herzen. Keine tiefen
Schnitte von Messern oder Äxten, keine einzige Verletzung ist zu sehen, und
doch hat er das Gefühl, als habe man ihn geschlachtet.
Jens macht kräftige, lange Schwimmzüge, wie ein Pfeil
schießt er durch das Wasser. Die Sonne taucht langsam auf und beleuchtet die
Welt in der Tiefe. Beim Schilf kann Jens einen Fischschwarm erahnen, der
verschwindet, sobald er sich nähert. Steine, bedeckt von grünem sich wiegendem
Seegras, etwas entfernt eine Ringelnatter, die an Land huscht. Wie angenehm,
allein zu sein und die Stille und Ruhe der Einsamkeit zu genießen. Kein Tanz,
kein Gesang, keine Menschen.
Vielleicht sollte er um die Landzunge herum und in die nächste Bucht
schwimmen, das ist nicht weit. Es ist windstill, das Wasser ist lau, und den
Alkohol, der vorhin noch in seinem Körper zirkulierte, spürt er fast nicht
mehr. Doch, das wird er tun. Seine Schwimmzüge sind ausladend und sicher, das
lange Seegras streicht ihm um die Beine, und er spürt die angenehme Kühle am
Kopf, wenn er unter Wasser schwimmt.
Moment mal. Was ist das dahinten, etwa hundert Meter entfernt? Jens
kneift die Augen unter Wasser zusammen. Vielleicht ein Seehund? Gibt es denn
Seehunde im Süßwasser? Nein, natürlich nicht. Aber es ist etwas Großes. Jens
schwimmt langsamer, um das Tier nicht zu verjagen, das dahinten wie träumerisch
im Wasser schwebt. Das ist kein Tier, das ist . . .
Ein Mensch, der in einem grünen durchsichtigen Kleid schwerelos
unter der Wasseroberfläche treibt. Karin.
»Was hast du gedacht, als du mich zum ersten Mal gesehen
hast?«
Maja und Alex sitzen sich gegenüber auf einer der hübsch
verschnörkelten Bänke im Labyrinth. Ihre Kleider sind etwas entfernt auf dem
Kies verstreut. Alex hält inne, die Hände auf Majas Oberschenkeln, und denkt
nach.
»Ich glaube, ich habe gar nichts gedacht. Jedenfalls nicht direkt.
Ich war mehr darauf fokussiert, schnell schwimmen zu lernen und dann hier
wegzukommen. Doch, ich habe mich echt gefragt, wie ich das überleben sollte.«
»Aber wann hast du angefangen, an mich zu denken?«
»Das war, nachdem wir getanzt hatten, da in deinem Malerzimmer. Ich
weiß ja nicht, was da passiert ist, aber du bist eben nicht so wie die
anderen.«
»Das ist niemand.«
»Doch, es gibt ziemlich viele, die sind so wie die anderen.«
»Vielleicht versuchen sie auch nur, so wie die anderen zu sein.«
»Klar, das meine ich ja auch.«
»Wie auch immer die anderen sein mögen. Man hat doch eine bestimmte
Vorstellung davon, wie die anderen sind. Jeder von uns läuft herum und denkt
darüber nach. Jetzt bin ich nicht wie die anderen. Ich muss mehr wie die
anderen sein, so wie ich bin, ist es doch nicht normal. Aber in Wirklichkeit
ist jeder von uns in den Augen der anderen ein anderer.«
»Da komme ich nicht mehr mit, ist ja auch egal, jedenfalls hab ich
mich da wohl ein bisschen in dich verliebt. Mit dir zusammen habe ich mich
einfach nicht so komisch gefühlt.«
»Du bist auch nicht komisch. Niemand ist komisch. Alle sind normal.«
Alex lacht und kneift Maja in den Oberschenkel.
»Jetzt hör aber auf! Natürlich bist du komisch, Maja, und deine
Kumpel hier, die sind echt endkomisch.«
»Das sind sie gar nicht.«
»Komm, gib es doch zu! Sieh sie dir doch mal an, natürlich sind die
komisch! Stell dir vor, wie die Leute glotzen würden, wenn du diese Channa auf
den Marktplatz von Duvköping setzen würdest, die ist doch voll abgefahren. Und
Pelle ist auch komisch! Und Karin und Jens sowieso. Josefin ist die Einzige,
die normal
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