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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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er etwas gesagt?
    Viola riss sich zusammen. »Bitte?«
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Doch, doch. Ich war nur gerade …«
    »… in Gedanken ganz woanders«, ergänzte der Hauptkommissar. »Das war nicht zu übersehen.«
    Eine Kellnerin tauchte am Tisch auf. Viola überließ ihr den Teller mit der übrig gebliebenen Pasta.
    »Hat es Ihnen nicht geschmeckt?«, fragte Geis.
    »Doch, doch, es war sehr gut.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Die Zugfahrt hat mich ziemlich erledigt. Ich glaube, ich muss ins Hotel zurück.«
    »Lassen Sie uns noch einen Espresso nehmen!«
    Sie bestellte einen koffeinfreien. Sonst würde sie in der Nacht kein Auge zubekommen.
    »Und wie sind Sie von Ebola auf Zecken gekommen?«, nahm Geis den Gesprächsfaden wieder auf, als die kleinen weißen Tassen vor ihnen standen. »Ist das nicht ein großer Unterschied?«
    »Eigentlich nicht.« Viola probierte einen winzigen Schluck. »Wir hatten Zecken sogar in Verdacht, das Ebola-Virus zu übertragen. Schließlich können Zecken hervorragend mit FSME und anderen Krankheitserregern leben. Aber das war nicht der entscheidende Grund, warum ich nach Deutschland zurückwollte. Nach dem Misserfolg im Kongo hatte ich genug von der Feldforschung – und von gefährlichen Jobs.«
    Verdammt noch mal, was plapperte sie denn da? Warum lieferte sie dem Mann Stichworte für Fragen, die sie nicht beantworten wollte. Sie schielte zu ihm hinüber. Zum Glück schien er das Letzte überhört zu haben.
    »Wissen Sie, was ich denke?« Der Hauptkommissar beugte sich vor und schaute ihr direkt in die Augen. »Ihr Aufenthalt auf Norderney ist keine Routine. Irgendwas stimmt nicht mit der Zecke, die Hannah Berends gebissen hat.«
    »Gestochen«, sagte Viola. »Zecken beißen nicht. Sie stechen.«

     
    Sie stand am Fenster ihres Hotelzimmers und schaute aufs Meer hinaus. So weit das in dem milchigen Mondlicht möglich war. Nicht der schlechteste Platz, um die Nacht zu verbringen. Und über das Gespräch mit Geis nachzudenken. Wahrscheinlich hatte sie seine schlimmsten Vorurteile über Wissenschaftlerinnen bestätigt. Ebola, Aids und Viren im Allgemeinen – sie hatte nichts ausgelassen, was einen harmlosen Restaurantbesuch verderben konnte. Komisch war nur, dass es ihm nicht das Geringste auszumachen schien. Nach dem Essen hatte er es sich nicht nehmen lassen, sie zu ihrem Hotel zurückzubringen. Und dann, als sie damit rechnete, dass er sich umdrehen und weggehen würde, hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt und sie auf die Wange geküsst. So überraschend, dass sie nicht hatte zurückweichen können. Falls sie das gewollt hätte.
    Eines hatte Geis jedenfalls bewirkt: Sie war hellwach, in dieser Nacht würde sie keinen Schlaf finden. Aber sie ärgerte sich nicht darüber. Im Gegenteil, ein bisschen freute sie sich schon auf den Sonnenaufgang.

11
Norderney, Knyphausenstraße

    Die Margarinedose war fast leer und der bläuliche Schimmer auf der Frischwurst sah nicht besonders vertrauenerweckend aus. Er musste dringend einkaufen. Und putzen. Und sich neue Klamotten zulegen. Ja, er musste viele Sachen dringend erledigen. Mit seiner Tochter reden. Über sein Leben nachdenken. Am besten, er fing morgen damit an. Oder übermorgen. Heute fühlte er sich zu müde dazu.
    Martin Geis goss sich aus der Porzellankanne eine Tasse Tee ein. Nach ein paar Monaten auf Norderney war er vom morgendlichen Kaffee auf Ostfriesentee mit Kluntje und einem Schuss Milch umgestiegen. Seitdem fühlte er sich wohler, sein Magen meldete sich nicht mehr so oft wie in der ersten Zeit des Alleinlebens.
    Heute reichte der Tee nicht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Er würde ein oder zwei Schmerztabletten schlucken müssen. Nachdem er Viola de Monti zu ihrem Hotel zurückgebracht hatte, war er dummerweise noch in einer Kneipe gelandet und dort versackt. Das passierte ihm äußerst selten. Aber gestern hatte er nicht einfach ins Bett gehen können. Er war frustriert, sauer. Über seine Unfähigkeit, die Distanz zu der Wissenschaftlerin zu überbrücken. Über ihre Art, mit ihm zu reden, ohne ihn wahrzunehmen. Als ob er gar nicht existieren würde. Dabei hatte sie kein Blatt vor den Mund genommen. Nein, mit blutigen Ausschmückungen in ihren Geschichten hatte sie nicht gespart. Allerdings wäre sie vermutlich genauso gesprächig gewesen, wenn nicht er ihr gegenübergesessen hätte, sondern ein Diktiergerät.
    Und dann hatte sie ausgerechnet bei der wichtigsten Frage gekniffen. Von einem

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