Fürchte dich nicht!
Blut. Schließlich verflüssigt sich auch das Unterhautgewebe und das Blut sickert direkt durch die Haut, aus den Augen und allen anderen Körperöffnungen.«
»Danke.« Geis legte sein Besteck auf den Teller. »So genau wollte ich es gar nicht wissen.«
Viola starrte auf das nur kurz angebratene Steak, das der Hauptkommissar erst zur Hälfte gegessen hatte. Mein Gott, wie konnte sie nur so tollpatschig sein? Hatte sie denn jegliches Gefühl dafür verloren, was in welcher Situation angebracht war?
»Tut mir leid. Ich habe gar nicht … Ich meine, ich hätte nicht …«
»Nicht so schlimm.« Geis lächelte. »Soll ich mit einigen sehr alten und sehr unappetitlich aussehenden Leichen kontern, die mir bei meiner Arbeit begegnet sind?«
»Bitte nicht!« Viola war froh, dass er es humorvoll nahm. »Ich verspreche: keine weiteren Details.«
»Und was genau haben Sie erforscht?« Geis nahm das Besteck wieder auf.
»Wir wollten herausfinden, wo sich das Ebola-Virus normalerweise aufhält. Menschen und Affen sterben nach der Infektion viel zu schnell, um als dauerhaftes Reservoir infrage zu kommen.« Sie bemühte sich, ihre Worte sorgfältig abzuwägen. »Also muss es irgendwo im Dschungel eine Tierart geben, die mit dem Ebola-Virus überleben kann. Nur sporadisch, mehr oder weniger zufällig, springt das Virus auf den Menschen über und richtet verheerende Folgen an.«
»Und wie geschieht das?«
»Das wissen wir nicht genau. Vermutlich durch Kontakte mit Blut oder anderen Körperausscheidungen. Es kann sich um Tiere handeln, die von Menschen gejagt werden, um Fledermauskot, der als Staub eingeatmet wird, oder um Stiche von Insekten.«
»So ähnlich wie Aids? Aids kommt doch auch aus Afrika, oder nicht?«
»Ja. Aids ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein harmloses Tier-Virus, das Meerkatzen befällt, über eine mutierte Form in Schimpansen zu einer globalen Plage für die Menschheit werden kann. Und ganz nebenbei der Beweis, dass wir Menschen nicht unbesiegbar sind. Nicht wenige Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass uns die Viren eines Tages erledigen werden.«
»Glauben Sie das wirklich?«, fragte Geis skeptisch. »Ich habe das immer für Panikmache gehalten.«
Viola lächelte. »Alle paar Jahre nimmt die Natur einen Anlauf und von Mal zu Mal werden die Ergebnisse perfekter. Die letzten Versuche hießen SARS und Vogelgrippe. Bei der Vogelgrippe fehlt nur ein kleiner genetischer Baustein zur weltweiten Pandemie. Und sobald sich ein Virus von der Gefährlichkeit des Ebola mit der Leichtigkeit seines Grippe-Verwandten überträgt, hat unsere letzte Stunde geschlagen. Oder sagen wir: für neunzig Prozent von uns.«
»Eigentlich ziemlich dumm von den Viren, uns zu töten«, warf Geis ein. »Schließlich vernichten sie damit ihre eigene Lebensgrundlage.«
»Viren haben eben keinen Verstand. Sie sind nichts weiter als ein Stück Genmaterial mit ein paar Zucker- und Eiweißmolekülen drum herum, unfähig, selbstständig zu existieren. Dafür brauchen sie Zellen, die sie zu ihren Reproduktionsmaschinen machen. Andererseits, schaut man sich an, wie methodisch Viren einen Körper erobern, könnte man das fast für einen Plan halten. Und selbst das Ende der Ebola-Kranken …« Sie schwieg verlegen.
»Reden Sie ruhig weiter!«, forderte Geis sie auf.
»… sieht wie ein letzter Versuch der Viren aus, neue Wirte zu finden. Mit dem Blut, das die Sterbenden verspritzen, werden nicht selten andere Menschen infiziert.«
»Haben Sie das natürliche Reservoir gefunden?«
Er hatte also nicht vergessen, was ihrem kleinen Exkurs vorausgegangen war. War er tatsächlich an ihrer Arbeit interessiert? Oder einfach nur in Verhörtechnik geschult?
Viola seufzte. »Nein. Wir haben drei Expeditionen an den Ebola-Fluss gemacht, Zehntausende von Insekten, Spinnentieren, Fledermäusen und Nagetieren untersucht – keines von ihnen war mit dem Ebola-Virus verseucht. Aus wissenschaftlicher Sicht ein kompletter Fehlschlag.«
Die Bilder der letzten Expedition stiegen wieder hoch. Sie waren fünf Wissenschaftler, die von zwanzig kongolesischen Helfern und fünfzig Regierungssoldaten begleitet wurden. Die Soldaten sollten die Sicherheit garantieren, doch Viola fürchtete sich mehr vor ihnen als vor irgendwelchen Banditen, die sich angeblich in der Gegend herumtrieben. Dann waren die Soldaten eines Tages verschwunden. Zumindest schien es so, als die Forscher am Nachmittag ins Zeltlager zurückkehrten.
Geis sah sie fragend an. Hatte
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