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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Vorschriften halten.«
    Geis stieg in den Anzug und folgte seiner Kollegin in die Küche. Scheinwerfer tauchten den aufgeheizten Raum in gleißendes Licht, Geis spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach.
    »Wir haben die Räume mit Ultraschall gescannt«, erklärte Schöning. »Dabei ist die Grube entdeckt worden.«
    Man hatte die Bodendielen herausgerissen und an der Wand aufgestapelt. Zwei Blaugekleidete, die ihm den Rücken zukehrten, versperrten Geis die Sicht. Er ging um sie herum. Ein dritter Spurensicherer, der in der knietiefen Senke hockte, nickte ihm zu. Die Leiche musste schon mehrere Wochen dort liegen, die Verwesung war bereits weit fortgeschritten.
    Schöning trat neben Geis. »Wenn es das ist, wonach es aussieht, haben wir ein Problem.«

37
Betreff: Du und ich

    Ich habe eine Flasche Champagner geöffnet. Ganz allein, in dem Zimmer, in dem ich vorübergehend wohne. Doch in Gedanken warst du bei mir. Findest du es kitschig, dass ich das Glas erhoben und dir zugeprostet habe? Über Hunderte von Kilometern hinweg? Ich vergesse ja immer, dass du mich noch nicht so gut kennst wie ich dich. Obwohl wir uns stetig aufeinander zu bewegen.

    Bis heute hast du alles erfüllt, was ich mir in meinen hoffnungsvollsten Träumen vorgestellt habe. Du hast mein Angebot angenommen und dich stechen lassen. In vollem Bewusstsein der Konsequenzen, der Lebensgefahr trotzend. Ein größeres Geschenk hättest du mir nicht machen können. Das war deine Art, mir zu zeigen, wie sehr du mir vertraust. Ich bin so stolz auf dich, Viola. Denn für dich habe ich die neue FSME konstruiert, für dich und mich. Gemeinsam werden wir die Welt verändern.

    Woher ich weiß, dass du es getan hast? Man hat es mir berichtet. Ja, unsere Augen und Ohren sind inzwischen überall, auch im Klinikum Münster. Dein Umwandlungsprozess ist bereits weit fortgeschritten, wie ich hörte. Du hast die Angst besiegt, trittst auf mit der Autorität einer Herrin. Dein wahres Ich kommt endlich zur Geltung.

    Der Einzige, der noch stört, ist der Polizist, der an dir klebt. Gib dich nicht länger mit ihm ab! Ich habe euch zusammen gesehen. Er ist nicht gut für dich, glaube mir. Er will dich kleinhalten, sein beschädigtes Ego verträgt nicht, dass du über dich hinauswächst. Er wird deine Umwandlung niemals gutheißen.

    Du gehörst zu mir, Viola. Du wirst es einsehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir uns begegnen. In meinen Plänen spielst du eine herausragende Rolle, ich habe Aufgaben für dich vorgesehen, die niemand außer dir erfüllen kann.

    Noch ist es zu früh, darüber zu sprechen, die Tollkühnheit mancher Ideen würde dir den Atem rauben. Das alte Leben hängt dir nach. Es drückt dich nieder, mit dem Gewicht seiner Sorgen und Bedenken. Wie ein angeketteter Vogel, der nicht weiß, dass er fliegen kann, bist du in den Niederungen deiner Pflichten verhaftet. Aber mit jedem Tag, der vergeht, wird sich die Freiheit vergrößern, werden deine Gedanken ein Stück höher fliegen.

    Ich weiß, wovon ich rede, Viola. Ich bin den Weg gegangen, habe alles hinter mir gelassen, was mich mit dem gewohnten Leben verband. Jetzt bin ich frei. Ich reiche dir die Hand, Viola. Komm zu mir!

Sechster Teil
Die Fortpflanzung

38
Norderney, Up Süderdün

    Thedinga betrachtete die junge Frau, die auf seinem Sofa saß. Wie ein Fremdkörper wirkte sie in diesem Wohnzimmer, das ihm plötzlich miefig und unpersönlich erschien. Logisch. Nicht er hatte die Möbel und alles andere ausgesucht, sondern seine Frau. Vor fünfzehn Jahren, als er auf die Insel versetzt wurde. Nach ihrem Tod hatte er nichts verändert. Warum auch? Die Deckchen auf dem Tisch passten zum Bezug der Polstergarnitur, die Topfblumen auf den Fensterbänken zu den gerafften Gardinen und die Muschelbilder an den Wänden zum Teppich, der die Bodenfliesen bedeckte. Thedinga hatte genug damit zu tun, das kleine Häuschen einigermaßen sauber zu halten und den Garten zu pflegen. Gedanken an Veränderungen wären ihm wie Verrat vorgekommen. Verrat an seiner Frau, die sich ein Jahr lang durch Operationen und Chemotherapien gequält hatte, die nicht loslassen wollte, nicht einmal ganz zum Schluss. Seitdem war das Haus für ihn eine Gedenkstätte, jedes Fleckchen atmete ihren Geist.
    Heute schnürte ihn das ein. Die Vergangenheit hockte wie ein zentnerschwerer Affe auf seinen Schultern. Er wollte die Wände einreißen, frische Luft hereinlassen, etwas Neues wagen. Und das lag nicht nur an der Frau,

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