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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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und grapschenden Händen zu entkommen, gegen die Schrankwände gehämmert und Kleiderbügel zu Boden gerissen hatte. Aber nachdem Luke mich wieder herausgelassen hatte und Sean mich kurz darauf in der Küche in eine Ecke drängte und erneut zu betatschen versuchte, hatte er ihm ins Gesicht geschlagen.
    Luke machte allerdings nicht den Eindruck, als wäre er wütend auf River. Ich glaube, er mochte ihn. Er fragte ihn sogar nach dem Rezept für die Eier, dabei interessierte sich mein Bruder nicht im Mindesten fürs Kochen. Ein Sandwich zu belegen, war für ihn das Äußerste der Gefühle. Also wertete ich das als gutes Zeichen.
    Nach dem Frühstück ging ich zurück nach Citizen Kane und duschte mich in Freddies ehemaligem Badezimmer im zweiten Stock. Die Wände waren von der Decke bis zum Boden mit smaragdgrünen Mosaikkacheln gefliest, die Freddie vor langer Zeit ausgesucht hatte, und der antike Kronleuchter warf ein flirrendes Licht durch den Raum, in dem dichter Wasserdampf waberte.
    Anschließend zog ich mir ein altes Baumwollkleid mit Blumenmuster an, das Freddie immer zum Backen getragen hatte und in dem ich mich fühlte, als würde sie direkt neben mir stehen, Ingwerlimonade zubereiten und alles Böse von mir fernhalten.
    Sunshine war mitgekommen und unterhielt sich mit mir, während ich mich anzog. Sie fragte mich, was zwischen mir und River passiert war und warum ich bei ihm übernachtet hatte. Ich machte es wie River und antwortete nur sehr vage, während ich in Gedanken noch einmal alles Revue passieren ließ, was letzte Nacht passiert war.
    River. River. River.
    Als ich schließlich fertig war, hatte ich den Entschluss gefasst, in die Stadt zu gehen und mich an der Suche nach Isobel zu beteiligen. Ich wollte Jack finden und mit ihm reden, weil ich mir ziemlich sicher war, dass niemand ihn ernst nehmen würde und mehr über das erfahren wollte, was er gestern gesehen hatte.
    Über den Teufel mit den roten Augen.
    Da Sunshine nichts anderes vorhatte, beschloss sie mitzukommen, und am Ende gingen wir alle vier in die Stadt hinunter.
    Ganz Echo befand sich in einer Art Ausnahmezustand. Menschen bevölkerten die Straßen um den Park, überall standen Polizeiwagen herum. In dem dichten Nebel, der vom Meer ins Zentrum zog, wirkten die Gesichter der Leute ernst, zerfurcht und abgekämpft, und obwohl es nur leicht nieselte, drängten sich alle mit hochgezogenen Schultern unter Regenschirmen.
    Im Café war es so voll, dass die Gäste fast bis zur Tür Schlange standen, aber Sunshine und Luke gingen trotzdem hinein, während River und ich draußen warteten. Er hatte sich ein frisches weißes Hemd und eine Leinenhose angezogen und sah trotz des Nebels so strahlend schön aus wie die türkisblaue See an einem heißen Tag. Hinter mir fing ich Gesprächsfetzen von einer Gruppe Polizisten auf:
    »Diese Kinder mit ihren Holzpflöcken … das ist irgendwie gruselig …«
    »Ist wie mit der Grippe, wenn sich die einer einfängt, stecken sich auch alle anderen an …«
    »Das kannst du laut sagen! Ich habe langsam das Gefühl, jedes Kind in dieser verdammten Stadt ist dort draußen auf dem Friedhof.«
    »Gibt’s schon was Neues über das Mädchen?«
    »… irgendjemand erzählt was von einer Entführung, und plötzlich greift es um sich wie eine Seuche – das ist eine Massenhysterie. Es ist wissenschaftlich belegt, dass …«
    »Die Gerüchte über diesen Blue Hoffman geistern immer noch in den Köpfen der Leute herum …«
    »Wir müssen nur das Balg erwischen, das diesen ganzen Mist ins Rollen gebracht hat. Glaubt mir, es steckt mit Sicherheit eines dieser Kinder dahinter. Sobald wir es finden, wird sich herausstellen, dass alles nur seiner blühenden Fantasie entsprungen ist.«
    Ich griff nach Rivers Hand. »Jack«, flüsterte ich.
    Er nickte.
    Auf dem Friedhof ging es noch hektischer zu als in der Stadt. Vor dem Zaun drängten sich die Leute wie Moskitos in einer schwülen Nacht an einem Fliegengitter, und das leise Stimmengemurmel, das in der Luft hing, hatte etwas Bedrohliches, als wäre die Atmosphäre statisch aufgeladen. River und ich schoben uns an einer Frau vorbei, die einen kleinen Jungen am Handgelenk festhielt. Er umklammerte ein aus zwei Holzpflöcken gebasteltes Kruzifix und flehte sie an, ihn gehen zu lassen.
    Als River und ich es endlich bis zum Tor geschafft hatten und den Friedhof betraten, blieb mir beinahe das Herz stehen. Überall waren Kinder. Überall. Mädchen und Jungen kauerten auf Bäumen und

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