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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Isobel nichts geschehen war und dass am Ende alles gut ausgehen würde. Trotzdem machte ich mir große Sorgen.
    River suchte derweil das Weite. Nachdem er die Fernsehkamera gesehen hatte, brachte er mich nach Hause, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
    Ich wusste nicht, ob er wiederkommen würde. Ich wusste gar nichts. Als ich von der vergeblichen Suchaktion zurück war, setzte ich mich auf die Vortreppe und wartete. Ich wartete und betete zu Freddie.
    Luke behauptete, ich hätte River mit meinem stechenden Blick und meiner übertrieben unschuldigen Mädchenhaftigkeit in die Flucht geschlagen, und dankte Gott, dass wir die Miete im Voraus verlangt hatten. Aber ich beachtete ihn gar nicht.
    Die Stunden zogen sich dahin.
    Keine Spur von Isobel.
    Keine Spur von River.
    Bei Einbruch der Dunkelheit kehrten die Kinder auf den Friedhof zurück. Sie schlichen sich aus dem Haus, sobald ihre Eltern schliefen. Das wusste ich deshalb, weil ich auch dort war. Ich hatte das letzte bisschen Mut zusammengekratzt, das mir geblieben war, und mich auf den Weg zum Friedhof gemacht. Ich rechnete damit, dort Jack anzutreffen, der immer noch auf den Teufel wartete, und fand stattdessen Dutzende von Kindern, die alle auf ihre Posten zurückgekehrt waren und deren bleiche Gesichter in der Dunkelheit leuchteten. Die Nacht bestand nur noch aus Stille und Schatten, den Toten in der Erde und dem entfernten Meeresrauschen, das sie bis in alle Ewigkeit hören würden. Ich huschte von Baum zu Baum, von Kind zu Kind, und achtete darauf, das Meer zu meiner Linken zu behalten, um mich zu orientieren.
    Immer wieder glaubte ich, den Atemhauch des Teufels im Nacken zu spüren. Aber wenn ich dann herumwirbelte, war da niemand … bis auf ein leise vorbeischleichendes Kind mit einem angespitzten Zweig in der Hand und konzentrierter Entschlossenheit im hohläugigen Gesicht. Sie waren überall, saßen in den Wipfeln der Bäume und versteckten sich hinter Grabsteinen, aber wenn ich sie nach Jack fragte, bekam ich nie eine konkrete Antwort. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, dass sie mir folgten. Mir nachstellten. Mir absichtlich Angst einjagten.
    Mein Herz begann so heftig in meiner Brust zu schlagen, dass es das Geräusch der gegen die Felsen brandenden Wellen übertönte. Es war Zeit, zu gehen.
    Plötzlich hörte ich etwas hinter mir. Schritte. Das Geräusch kleiner Füße auf Kieselsteinen.
    Ich drehte mich hastig um und da waren sie. Zwei Jungen und ein Mädchen. Sie standen etwa drei Meter von mir entfernt nebeneinander, hielten ihre spitzen Zweige in der Hand und starrten mich an.
    »Du hast keinen Pflock«, sagte das Mädchen. »Der Teufel wird dich kriegen.«
    Sie trat einen Schritt näher und die anderen folgten ihr. Wir standen uns reglos gegenüber und schauten uns einfach nur an. Eine Brise strich mir über die Wangen und wehte mir die Haare aus dem Gesicht. Der salzige Wind war weich, aber kalt. Eiskalt. Kalt wie das Meer, wenn man nachts darin schwamm. Wie klamme Finger, die einem den Nacken hinaufkriechen.
    Ich zitterte.
    »Spürst du ihn?«, fragte das Mädchen. »Spürst du den Teufel?«
    Ich nickte.
    »Dann lauf«, sagte sie.
    Und ich lief.
    Als ich zu Hause angekommen war, drückte ich die große Eingangstür hinter mir zu und verriegelte sie. Anschließend presste ich mich gegen das Holz und ließ mich zu Boden sinken. Ich kam mir dumm vor und schämte mich. Aber verdammt, es war doch kein Wunder, dass man Angst bekam, so wie diese Kinder mit ihren Pflöcken durch die Dunkelheit gegeistert, mir von Grabstein zu Grabstein gefolgt waren und immer wieder in den Himmel gestarrt hatten … Meine Lunge schmerzte und in meinen Ohren pochte es, als wäre ich tief unter Wasser geschwommen. Ich atmete dreimal tief durch und begab mich dann auf die Suche.
    Seit Freddie tot war, machte ich das immer mal wieder und wanderte im Dunkeln durch Citizen Kane. Ich weiß nicht, wie oft ich schon ihr Schlafzimmer, die Bibliothek, die Küche und den Dachboden durchsucht hatte.
    Diesmal fing ich im Keller an, kratzte an Ecken, von denen der Schimmel bröckelte, tastete nach losen Backsteinen und Falltüren. Dann ging ich nach oben in die Schlafzimmer, die schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden waren, zog Kommodenschubladen auf, öffnete Schränke, kroch unter Betten, klopfte, in der Hoffnung, einen geheimen Hohlraum zu finden, Wände ab und drehte Gemälde um. Ich hatte das schon so oft getan und würde es wieder tun.
    Ich ließ zu, dass der Staub,

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