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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Rivers Verschwinden während der Vorstellung von Casablanca und die Tatsache, dass die Kinder auf dem Friedhof nach dem Teufel gesucht hatten, irgendwie miteinander zusammenhingen. Ich wusste nur noch nicht, inwiefern.
    River beugte sich zu dem Jungen hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Kleine nickte. Danach richtete er sich wieder auf und fragte ihn in normaler Lautstärke: »Hast du Lust, mit uns auf einem riesigen, staubigen und unheimlichen Dachboden ein bisschen herumzustöbern?«
    Jack sah River stirnrunzelnd an und zuckte mit den Achseln. »Okay.«
    Nachdem wir uns in der Küche Eistee geholt hatten, stiegen wir kurz darauf zu fünft die breite Marmortreppe in den zweiten Stock hinauf, gingen an Freddies Zimmer, das jetzt mir gehörte, den Flur entlang, die Treppe hinauf in den dritten Stock, wo wir an der kleinen Bibliothek, an Lukes Zimmer und dem alten Ballsaal vorbeikamen, der zur Gemäldegalerie umfunktioniert worden war, bis wir am Ende des Flurs im Dienstbotentrakt die wackelige Wendeltreppe erreicht hatten, die zum Dachboden hinaufführte.
    Wenn man den riesigen Speicher zum ersten Mal betrat, verschlug es einem förmlich den Atem. Überall standen Truhen, Kisten, Koffer, Schränke und andere Möbelstücke herum, die ein Sammelsurium aus alten Kleidern und seltsamen Blechspielzeugen beherbergten, mit denen seit Jahrzehnten niemand mehr gespielt hatte, außerdem gab es hier stapelweise unvollendete Gemälde und vieles andere, das sich gar nicht alles aufzählen lässt. Durch mehrere kreisrunde Fenster strömte das Sonnenlicht herein, das sich in schrägen goldenen Bahnen, in denen der Staub tanzte, einen Weg entlang der Holzplanken bahnte. Ich bin mir sicher: Könnten Dachböden sich etwas wünschen, dieser hier wäre wunschlos glücklich gewesen.
    Jack betrat diese Schatzkammer und sah sich staunend um. Er hatte eine dunkle Jeans an, die ihm ein bisschen zu groß war, und dazu ein verwaschenes braunes T-Shirt, über dem er eine khakifarbene Armeejacke trug, die ihm ebenfalls zu groß war, aber jede Menge Taschen hatte, weshalb er sie wahrscheinlich cool fand. Jack zeigte auf einen hohen, breiten Kleiderschrank. »Ist da das Tor zu Narnia drin?«, fragte er und lächelte so breit, dass seine Sommersprossen sich verschoben. » Die Chroniken von Narnia sind tolle Bücher!«
    Also war er trotz allem auch immer noch ein ganz normaler Junge, der Fantasy-Romane las und in alten Kleiderschränken Geheimnisse vermutete.
    River lächelte. »Also, wenn es einen Schrank gibt, in dem Narnia zu finden ist, dann diesen. Was meinst du, sollen wir nachschauen?«
    Mottenzerfressene Pelzmäntel flogen durch die Luft, als die beiden sich zur Rückwand des riesigen, tiefen Schranks durcharbeiteten. Ich ging währenddessen zu dem alten Grammofon in der Ecke, schaute die vergilbten Plattenhüllen durch und schob mir immer wieder die Haare aus dem Gesicht, um besser sehen zu können. Als meine Haarspitzen mit Staub bedeckt waren, fand ich schließlich, wonach ich gesucht hatte.
    Ich legte die schwarze Schellackscheibe auf den Plattenteller, drehte die Kurbel und einen Moment später erfüllte die knisternde Bluesstimme von Robert Johnson den Dachboden.
    Nachdem River und Jack den Narnia-Schrank seiner alten Mäntel entledigt hatten, diente er uns als Umkleidekabine. Sunshine zog ein zerknittertes safrangelbes Kleid an, das ihr oben herum mindestens zwei Nummern zu klein war, was aber sicher ganz in ihrem Sinne war. Mein Bruder fand einen flotten Nadelstreifenanzug, der wahrscheinlich mal einem unserer Großväter gehört hatte. Als er aus dem Kleiderschrank stieg, hätte ich ihm gern gesagt, wie toll er aussah und dass es vielleicht doch ganz cool war, die Sachen von verstorbenen Angehörigen zu tragen … aber ich verkniff es mir, weil ich Angst hatte, er würde den Anzug sonst wieder ausziehen.
    Ich kramte ein schwarzes Cocktailkleid und eine falsche Perlenkette aus einer alten Holzkiste – sehr »Breakfast at Tiffany’s« – und verschwand damit im Schrank. Als ich wieder herauskam, sah River mich an und grinste. Es war ein nettes, anerkennendes Grinsen.
    »Jetzt musst du dir aber noch die Haare hochstecken«, meinte er.
    Ich suchte in einer kleinen Schmuckschatulle eine Handvoll Haarklammern zusammen, dann trat River hinter mich und begann mit seinen schlanken Fingern Strähne für Strähne zu zwirbeln und festzustecken, bis sie sich auf meinem Hinterkopf zu einem kunstvoll verschlungenen Knoten

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