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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Finger nicht berührten, als ich danach griff. River lehnte sich in die Couch zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    »Ich habe mitbekommen, wie Neely zu dir gesagt hat, dass du mich nicht berühren sollst.«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, was gestern Nacht passiert ist«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie es weiterging, nachdem wir uns in der Küche geküsst haben. Als ich heute Morgen in deinem Bett aufgewacht bin, habe ich mich benommen gefühlt und wusste noch nicht einmal, ob ich nackt war oder noch angezogen. Ich traue dir nicht, River. Du bist ein Lügner. Und ein Süchtiger.« Ich hielt einen Moment lang inne. »Warum erinnere ich mich nicht daran, wie wir rübergegangen sind und uns in dein Bett gelegt haben? Oder an irgendetwas von dem, was möglicherweise davor passiert ist?«
    River zuckte mit den Achseln. »Es stimmt, dass ich das Funkeln bei dir benutzt habe, um dich zu beruhigen. Du warst wegen der Sache mit Daniel Leap völlig aufgewühlt. Ich habe dir geholfen . Es ging mir nicht darum, dass du vergisst, was passiert ist. Das ist bloß eine Nebenwirkung, die sich oft nicht vermeiden lässt, wenn ich meine Gabe benutze.«
    Ich ließ diese Information einen Moment lang sacken. »Aber was soll ich denn denken? Versetz dich mal in meine Lage: Erst gibst du zu, dass du Schwierigkeiten hast, das Funkeln zu kontrollieren, dann dreht Gianni komplett durch, entführt Jack und will ihn als Hexe verbrennen, und dann höre ich dieses Lachen auf dem Dachboden, aber du behauptest, dass du nichts damit zu tun hast?« Ich biss die Zähne aufeinander und atmete tief durch. »Aber okay, ich habe wohl keine andere Wahl, als dir zu glauben. Du bist ein notorischer Lügner und trotzdem muss ich dir glauben. Weil ich sonst nämlich etwas gegen dich unternehmen müsste. Etwas Drastisches, zum Beispiel dich betrunken machen und anschließend im Meer ertränken, bevor du noch einmal versuchst, Jack umzubringen.«
    River fuhr sich mit der rechten Hand, an der noch Olivenöl glänzte, durch die Haare und sah mich an. »Tja, was soll ich sagen, Vi? Ich schätze, genau so ist es.«
    » Liebe deinen betrügerischen Nächsten mit deinem betrügerischen Herzen «, sagte ich.
    »Wie bitte?«
    »Das ist eine Zeile aus einem Gedicht von Wystan Hugh Auden. Freddie hat sie manchmal zitiert.«
    »Und was soll das bedeuten?«
    »Dass niemand perfekt ist, glaube ich.«
    »Wahrere Worte sind wohl nie gesprochen worden«, sagte River.
    Wir saßen schweigend nebeneinander, ohne uns zu berühren, während Robert Johnson »Between the Devil and the Deep Blue Sea« sang. Bei ihm klang der Song so langsam und melancholisch, dass er nichts mehr mit dem Original von Cab Calloway zu tun hatte.
    Ich stellte mir vor, dass Robert in diesem Moment nur für mich sang.
    Plötzlich durchbrach lautes Donnergrollen wie ein Trommelwirbel die Stille. Ein Sturm war im Anzug und die Luft fühlte sich bleiern an. Die Platte war zu Ende, der Wind wurde kühler und die Atmosphäre auf dem Dachboden veränderte sich. Sie wurde eiskalt und schwarz. Als würde sich ein Traum in einen Albtraum verwandeln. Normalerweise liebte ich Gewitter, aber in diesem Moment hätte ich lieber darauf verzichtet.
    »Neely hat recht«, sagte River mit finsterer Miene. Seit das Gewitter begonnen hatte, wirkte er so offen und unverstellt, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Ich fragte mich, ob ich diesem Eindruck trauen konnte. »Ich sollte meine funkelnden Finger von dir lassen. Er hat immer recht, der Mistkerl. Kann ich dir etwas sagen, Violet?«
    »Klar.«
    Ohrenbetäubendes Donnerkrachen.
    Er zuckte zusammen. »Ich hasse Gewitter. Vor ein paar Monaten hab ich mich selbst aus der stockkonservativen Privatschule entlassen, auf die ich ging, und bin nach New Mexico abgehauen. Dort hat es noch nicht einmal geregnet, geschweige denn gedonnert. Ich habe kein einziges Mal von Neely und dem Feuer geträumt, um genau zu sein, habe ich gar nicht geträumt. So gut wie dort habe ich noch nie geschlafen, bis ich … bis ich hierhergekommen bin und dich getroffen habe.« Er hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr. »Okay, die Wahrheit: Meine Mutter ist weder Archäologin, noch Köchin gewesen. Sie war die großherzige Gattin eines wohlhabenden Mannes und ist vor fünf Jahren gestorben. Sie ist wie eine tragische Gestalt aus einem Gedicht im Meer ertrunken. Wir waren auf unserer Jacht unterwegs, als ein Gewitter aufzog und sie im Sturm über Bord ging. Ich war dabei.

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