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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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der einzige Mensch, der mich versteht. Der einzige Mensch außerhalb meiner Familie, der davon weiß. Dein Schweigen all die letzten Jahre war für mich … kaum zu ertragen.
    Eines Tages werde ich vielleicht selbst Söhne haben, Söhne, denen ich meine Haarfarbe vererbe, meinen Egoismus und möglicherweise auch das Brennen. Das macht mir Sorgen, Freddie. Weißt du noch, was für eine Angst es uns machte, als ich deine Hand nahm und dich deinen älteren Bruder in seiner Leutnantsuniform sehen ließ? Du hast mir eine so heftige Ohrfeige gegeben, dass ich eine Stunde lang Nasenbluten hatte.
    Aber danach hast du mich in deine zerbrechlichen Arme genommen und mir immer und immer wieder versichert, dass alles gut werden würde.
    Vor fünf Jahren bin ich eines Tages nach Echo gefahren, ohne jemandem davon zu erzählen. Ich war auch bei der Villa der Glenships. Sie ist mit Brettern vernagelt und zerfällt langsam zur Ruine. Es hat mir fast das Herz gebrochen.
    Einmal haben wir uns in der Bibliothek geliebt – spätnachts, hinter den schweren grünen Samtvorhängen. Weißt du noch?
    Ich habe auch Rose besucht. Du hast sie in eurer Familiengruft begraben, sodass sie in der Stadt, die sie liebte, ihre letzte Ruhe finden konnte. Ich habe dir nie dafür gedankt.
    Neulich war ich im Kino und habe »Citizen Kane« gesehen. Dabei musste ich an dich denken.
    Du bist meine »Rosebud«, Freddie, meine Rosenknospe.
    Will
    13. März 1958
    Freddie,
    John hat mir erzählt, dass True ertrunken ist. Ja, ich habe einen deiner früheren Liebhaber gebeten, dich im Auge zu behalten. Sei ihm nicht böse. Er liebt dich immer noch.
    Von John weiß ich auch, dass du allem abgeschworen hast – du schminkst dich nicht mehr, trinkst nicht mehr, gibst keine Partys mehr und förderst keine Künstler mehr. Du hast alles aufgegeben, was du früher so geliebt hast. Alles, was dich lebendig gemacht hat. Er sagt, du hättest dich in deiner Villa vergraben und würdest deine Tage damit verbringen, aufs Meer oder in den Himmel zu starren.
    Menschen sterben, Freddie. Manchmal sterben sogar Kinder. Es ist nicht deine Schuld. Gott bestraft dich nicht für deine Wildheit. Genauso wenig wie er mich bestraft für … die Dinge, die ich getan habe. Das ist einfach nur der ganz normale Lauf des Lebens.
    Als wir jung waren, hast du immer gesagt, ich hätte den Teufel in mir. Aber Menschen können sich ändern. Ich habe mich geändert. Ich bin nicht der Teufel, Freddie.
    Schreib mir. Bitte.
    Will
    Ich lief durch das dunkle, nasse Gras zum Gästehaus hinüber und fröstelte bei jedem feuchten Windstoß, der vom Meer herübergetragen wurde. River war noch wach. Er saß in der Küche und trank Kaffee. Falls er überrascht war, mich zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken. Ich bat ihn, Neely zu holen, weil ich ihnen etwas zeigen müsse. Er ging wortlos ins Schlafzimmer und weckte seinen Bruder.
    Die beiden folgten mir in die Stadt hinunter. Nur der milchig-weiße Strahl der Taschenlampe in meiner Hand trennte uns von der Finsternis der Nacht. Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen, dafür war der Boden matschig und rutschig.
    »Wohin gehen wir, Vi?«, fragte River, als wir am Tunnel vorbeikamen. Neely hatte bis dahin noch kein einziges Wort gesagt.
    »Zu unserer Familiengruft, um dort nach einem Beweis zu suchen«, antwortete ich.
    »Einem Beweis wofür?«
    Es gefiel mir, dass zur Abwechslung einmal er die Fragen stellte. Ich ging nicht darauf ein. »Jack ist auf die Gruft der Glenships geklettert, um von dort aus nach dem Teufel Ausschau zu halten. Unsere eigene Gruft liegt ein ganzes Stück weiter weg zwischen den Bäumen. Sie ist größer und im gotischen Stil gebaut. Über dem Eingang steht ein rätselhafter Satz, der dir gefallen wird.«
    »Kann gut sein.« River stolperte über einen Stein, der auf dem Weg lag. »Aber morgen früh würde er mir sicher auch noch gefallen, oder? Ich meine, wenn es hell ist und man sieht, wo man langläuft.«
    »Nein«, erwiderte ich.
    Neely lachte.
    Als wir den Friedhof erreicht hatten, ließ der Wind nach, und am Nachthimmel zeigte sich der Mond. Die Geisterstunde war vorüber. Wir schlüpften nacheinander durch das schmiedeeiserne Tor, das einen Spalt offen stand.
    Ich blieb einen Moment lang stehen und versuchte die Ruhe und Einsamkeit des Friedhofs in mich aufzunehmen, dann führte ich River und Neely zur Gruft der Whites.
    Unsere Familiengruft lag im hinteren Teil des Friedhofs, wo man in lang vergangenen Zeiten die

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