Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
eine Ahnung, was das bedeutet?«
River drückte sich den kalten Waschlappen aufs Gesicht und das übermütige Leuchten in seinen Augen wurde schwächer. »Hat die Predigt nicht Zeit bis morgen? Mein ganzes Gesicht tut weh. Und so wie es im Moment aussieht, läuft sowieso alles darauf hinaus, dass ich nach Hause zurückkehre und dort bleibe, bis ich es vermassle und wieder abhaue.« Er schüttelte den Kopf. »Nur dass es in der nächsten Stadt niemanden wie dich geben wird. Und dieser Gedanke macht mich ehrlich gesagt ziemlich fertig.«
Er klang halbwegs aufrichtig. Und das wollte etwas heißen.
Ich sah ihn forschend an. »Kurz bevor wir die Schreie des kleinen Jungen gehört haben, hast du gesagt, dass es vor mir kein anderes Mädchen gegeben hat. Das war die Wahrheit, oder?«
Rivers Blick wanderte zur Wand. Er trat so nervös von einem Bein aufs andere, dass Neely mit Sicherheit gelacht hätte, wenn er es mitbekommen hätte. »Ja. Ja, das war die Wahrheit.«
»Lügst du?«
»Ja.«
»Hast du gerade auch wieder gelogen?«
»Ja.«
River seufzte tief. In seinen Augen flackerte der letzte Rest Übermut auf und erlosch. Plötzlich wirkte er unglaublich jung.
»Vi? Würdest du heute Nacht bitte wieder neben mir schlafen?«
»Na gut«, sagte ich, weil es das letzte Mal sein würde. Außerdem glaubte ich ihm irgendwie, was er auf dem Friedhof gesagt hatte.
Wir gingen in das Schlafzimmer im Gästehaus, öffneten das Fenster, damit die Meeresbrise hereinwehen konnte, und schlüpften unter die Decke. River zuckte zusammen, als seine geprellte Wange das Kissen berührte. Wir küssten uns nicht, aber ich schlief in seinen Armen ein und er schmiegte sein Gesicht in meine Haare.
Und ich träumte.
Ich träumte von Friedhöfen. Und einem Tunnel. Und von einem Mann mit pelzigen Zähnen und einer klaffenden Wunde in der Kehle. Ich träumte vom Teufel, der wie River aussah, aber rote Haare und blutrote Augen hatte. Nur dass es nicht der Teufel war. Und auch nicht River. Es war Neely, dessen blonde Haare in der untergehenden Sonne rot leuchteten, und sein Gesicht leuchtete ebenfalls rot, weil er sich mit River geprügelt hatte. Mit River, der mich plötzlich küsste, was sich gut anfühlte. Unbeschreiblich gut. River küsste meinen Hals und meine Schultern und ich begann mich langsam auszuziehen. River half mir dabei. Danach half ich ihm, sich auszuziehen, bis wir beide nackt waren. Es machte mir nichts aus. Ich wollte nur weiter von ihm geküsst werden, für immer und bis in alle Ewigkeit. Amen. Alles fühlte sich richtig an, und ich wusste, es war so weit. Ich wollte ihn, Gott, und wie ich ihn wollte …
Eine Tür schlug zu und riss mich aus dem Schlaf.
Ich holte tief Luft und öffnete die Augen.
Der Himmel war von einem gespenstischen Graublau und bald würde es dämmern. Ich hatte nur ein paar Stunden geschlafen und lag in Rivers Bett. Ich hatte geträumt. Nur geträumt. So schön geträumt.
Verdammte Tür.
Aber … irgendetwas war seltsam. Mir war heiß. Meine Haut prickelte. Ich drehte mich zur Seite, und dann wurde mir klar, was nicht stimmte. Ich war nackt.
Genau wie River.
Mein Traum war gar kein Traum gewesen. Rivers nackter Körper war an meinen geschmiegt und das fühlte sich so schön und richtig an wie in meinem Traum …
»Violet?«, flüsterte River.
»Ja«, flüsterte ich kaum hörbar zurück. Ich holte tief Luft und mein Busen berührte Rivers Körper. Ich atmete aus und mein Blick begegnete seinem. Er schlang mir die Arme um die Taille.
»Ich glaube, ich … ich glaube, ich habe das Funkeln im Schlaf benutzt. Ich wusste noch nicht einmal, dass ich das kann. Oh verdammt. Wir hätten beinahe … Gott, es tut mir so leid, Vi. Ich weiß nicht, was mit mir passiert …«
Ich rührte mich nicht.
»Neely hat recht.« Rivers Stimme klang unsicher und angespannt. »Ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
»Ja«, antwortete ich, rührte mich aber immer noch nicht.
»Ich bin gefährlich, Violet. Ich stelle eine Gefahr für dich dar . Du solltest lieber gehen. Mach, dass du hier rauskommst, Vi. Sofort .«
Mein Herz stand einen Moment still, erzitterte und begann dann wieder zu schlagen. Ich löste mich aus seiner Umarmung und stand auf. Meine Kleider lagen zwischen seinen auf dem Boden verstreut. Ich zog mich an und ging.
Aber als ich schon draußen war, drehte ich um und kehrte noch einmal in sein Zimmer zurück.
»River, du musst aus Echo fortgehen«, flüsterte ich. Ich stand neben seinem
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