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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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wie Daddy und der Sheriff die Verandastufen hoch zurück in Miss Lyles Haus gingen. Mama wartete auf der anderen Seite der Fliegentür auf Daddy. Mein Grandpa steckte den Schlüssel in die Zündung und ließ den Pick-up an. Als der Motor ansprang, klang es, als würden alte Metallstücke unter der Haube gegeneinanderschlagen.
    »Kommen meine Mom und mein Dad nicht mit?«, fragte ich.
    »Nein, die bleiben bei deinem Bruder«, sagte er. »Nur heute Nacht.« Er zog seine Zigarettenpackung aus der Hemdtasche und schüttelte eine raus, und dann drückte er den Anzünder am Armaturenbrett rein, damit er heiß wurde. »Ich bring dich nach Hause und bleib die Nacht über bei euch im Haus, wenn du einverstanden bist.« Er sah mich an und versuchte zu lächeln. Der Zigarettenanzün- der sprang raus, und er nahm ihn und hob die orangerote Glut ans Gesicht. Als er die Zigarette anzündete, sah ich, dass seine Finger zuckten. Er wollte den Anzünder wieder zurückstecken, kriegte ihn aber kaum rein, weil seine Hand so schlimm zitterte. Ich hörte, wie der Anzünder gegen das Armaturenbrett klapperte, bis er es endlich schaffte.
    Er ließ die Zigarette im Mundwinkel brennen und zog den Schalthebel nach unten. Er legte den Arm über die Rückenlehne meines Sitzes und drehte den Kopf nach hinten zu Miss Lyles Einfahrt, um den Pick-up zu wenden.
    Der Mond sah aus, als hätte er sich irgendwo hinter den Wolken versteckt, und die Straße war dunkel bis auf die Stelle, wo die Scheinwerfer hinleuchteten. Aber der Pick-up war alt, und die Scheinwerfer waren nicht so hell wie die am Pick-up von meinem Daddy, obwohl der Pick-up von meinem Daddy auch schon ziemlich alt war. Ich konnte kaum was sehen bis auf ein kleines Stück Straße direkt vor uns. Der Pick-up war so alt, dass die Innenseiten der Türen angerostet waren. Wenn Daddy solchen Rost sah, nannte er das »Autokrebs«, und ich hatte ihn mal sagen hören, wenn der erst mal im Auto drin ist, kannst du aufgeben und den Wagen sterben lassen. Ich streckte die Hand aus und berührte den Rost, und er zerbröselte unter meinen Fingern. Ich wischte die Hand an meiner Bluejeans ab und sah, dass der Rost einen staubigen, braunen Fleck hinterließ.
    »Der Pick-up ist ganz schön alt, was?«, sagte mein Grand- pa, aber ich antwortete nicht.
    Wir fuhren am Fluss lang, und ich schaute durch die Windschutzscheibe auf die andere Seite des Pick-ups, und in dem bisschen Mondlicht konnte ich so gerade eben das Wasser zwischen den Bäumen schimmern sehen. Ich musste daran denken, wie ich und Stump und Joe Bill heute Morgen Steinehüpfen gespielt hatten, und dann dachte ich, wie lange her es mir jetzt vorkam, dass wir alle zusammen da unten am Ufer gewesen waren. Durch die Bäume hindurch konnte ich die Lichter von Marshall auf der anderen Flussseite funkeln sehen. Ich wusste, wir würden bald an der Kirche vorbeikommen, und ich könnte dann nach rechts gucken und sie mir durch mein Seitenfenster ansehen, aber ich fand, dass ich das nicht wollte. Ich starrte einfach geradeaus auf das Scheinwerferlicht, aber ich wusste es trotzdem, als wir an der Kirche vorbeifuhren.
    Mein Grandpa nahm die Straße zum Highway, und ich spürte, wie wir den Hügel hochfuhren, und ich hörte, wie der alte Pick-up richtig schwer ackerte, als würde er die Steigung nur mit großer Mühe schaffen. Als wir an dem Stoppschild oben auf dem Hügel anhielten, bog ein Krankenwagen vom Highway ab und fuhr an uns vorbei Richtung Fluss, von wo wir gerade gekommen waren. Der Krankenwagen hatte weder Blaulicht noch Sirene an, und mir fiel auf, wie langsam er fuhr. Ich schaute durchs Heckfenster und sah ihm nach, bis die Rücklichter in der Dunkelheit unten am Hügel verschwanden. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, dass mein Grandpa den Krankenwagen im Rückspiegel beobachtete. Er saß da und schaute dem Wagen noch eine Sekunde länger hinterher, dann gab er Gas und wir bogen nach links auf den Highway.

    »Dein Daddy und ich haben heute Abend einen Spaziergang über die Felder gemacht«, sagte er. »Ihr habt eine ganze Menge Burley reinzuholen. Das ist ein ordentliches Stück Arbeit.« Er saß da, und ich konnte ihm ansehen, dass er überlegte, was er noch sagen könnte, damit es auf der Fahrt nicht so still war.
    »Mr Gant hilft Daddy bei dem ganzen Kram«, sagte ich, nur damit er wusste, dass Daddy ihn nicht brauchte, bloß weil er beschlossen hatte, aus heiterem Himmel zurückzukommen und Daddy zu überraschen. Ich spürte, dass

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