Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
Vom Netzwerk:
fernzuhalten, jedenfalls, bis die Sache geklärt ist. Dein kleiner Junge ist in seiner Kirche gestorben, unter seiner Hand. Ich halte es einfach für das Beste, wenn du dich vorläufig von der Kirche fernhältst. Zumindest so lange du hier bei mir bleibst. Kannst du das?« Sie blickte einen Moment lang auf ihre Hände, als würde sie überlegen, ob sie dazu in der Lage wäre oder nicht, und ich wusste wirklich nicht, was sie antworten würde. Schließlich sah sie zu mir hoch.
    »Ja, Ma’am«, sagte sie. »Das kann ich.«
    »Schön«, sagte ich. »Ich will ihn hier einfach nicht sehen. Nicht nach dem, was passiert ist.«
    Noch während ich das sagte, dachte ich schon, wie sehr es Carson Chambliss stören würde, dass Julie bei mir wohnte, und ich wusste genau, es würde ihm gegen den Strich gehen, dass ich am Dienstagmorgen mit dem Sheriff sprechen würde, obwohl ich gar nicht wissen konnte, was mit Christopher passiert war. Chambliss wusste, dass ich so einige andere Dinge gesehen und gehört hatte, Dinge, die ich erzählen könnte und die ihn womöglich in ein schlechtes Licht rückten oder schuldig aussehen ließen. Deshalb war ich ziemlich überrascht, als Julie am Mittwochabend nach der Beerdigung in mein Zimmer kam und mir sagte, der Pastor wollte mich am nächsten Tag in der Kirche sprechen. Und ich kann sagen, nachdem ich bei ihm gewesen war, wusste ich mit Sicherheit, dass ich in das Gesicht des Bösen geschaut hatte.

16
    Clem Barefield
    Adelaide Lyles Haut war dünn wie Papier, und ihre Adern waren blaue Schlieren auf ihren Händen. Ich sah, wie sie über ihre Knöchel rollten, während ihre Finger den Stuhl kneteten, gegen den ihr Körper lehnte. Es war Dienstagmorgen, zwei Tage nachdem der tote Junge an dem Abend, als er starb, zu ihr nach Hause gebracht worden war.
    »Möchten Sie was trinken?«, fragte sie mich. »Etwas essen?« Ehe ich antworten konnte, drehte sie mir den Rücken zu und schlurfte rüber zum Schrank und stöberte darin herum.
    »Danke, ich muss nichts essen«, sagte ich, doch sie blick- te weiter in den Schrank, als hätte sie mich nicht gehört. »Danke, ich muss nichts essen«, sagte ich wieder, diesmal lauter, damit sie mich auch hörte. Sie drehte sich um und sah mich einen Moment lang an, als hätte ich irgendwie ihre Gefühle verletzt, als hätte ich sie vor den Kopf gestoßen, weil ich nichts von dem essen wollte, was sie aus dem Schrank hervorzaubern könnte. Ich deutete auf den leeren Stuhl am Kopfende des Tisches. »Ich möchte mich bloß ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten. Bloß ein paar Minuten. Mehr nicht. Dürfte nicht viel länger dauern.«
    Sie zögerte kurz, dann ging sie zurück zum Tisch und zog einen Stuhl darunter hervor. Nachdem sie sich auf den Stuhl niedergelassen hatte, strich sie das Tischtuch glatt und verschränkte die Finger und ließ sie vor sich liegen. Ihre braunen Augen waren hell und unsicher, und ich sah winzige goldene Punkte darin funkeln.
    »Bitte erzählen Sie mir alles, was Sie darüber wissen, was mit Christopher am Sonntagabend passiert ist«, sagte ich.
    »Ich kann Ihnen da gar nichts erzählen«, sagte sie. »Ich war nicht dabei. Ich war zu Hause. Die haben ihn hergebracht, nachdem es passiert war.«
    »Nachdem was passiert war?«
    »Nachdem er gestorben war, meine ich«, sagte sie.
    »Wie ist er gestorben?«
    »Das weiß ich nicht genau«, sagte sie. »Wie gesagt, ich war nicht dabei. Ich weiß nur, was die Leute mir so erzählt haben.«
    »Was hat Julie gesagt?«, fragte ich.
    »Sie hat gesagt, sie haben versucht, ihn zu heilen. Mehr hat sie nicht gesagt.«
    »Wo ist sie im Augenblick?«
    »Ich weiß nicht, aber hier ist sie nicht.«
    »Wie lange wohnt sie schon bei Ihnen?«
    »Erst seit gestern Abend«, sagte sie. »Könnte aber sein, dass sie noch ein Weilchen länger bleibt.«
    »Warum ist sie nicht zu Hause bei ihrer Familie?«
    »Weil sie sagt, da wäre sie nicht sicher. Sie sagt, Ben hat angefangen zu trinken und gibt ihr die Schuld für das, was passiert ist.«
    »Warum fühlt sie sich nicht sicher? Hat er gedroht, ihr was anzutun?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Da müssen Sie sie schon selbst fragen, aber Sie haben ja mit eigenen Augen gesehen, was er mit den Jungs gemacht hat, die am Sonntagabend von der Kirche zu mir gekommen sind.«
    »Das habe ich«, erwiderte ich. »Aber es gibt viele Männer, die das Gleiche getan hätten.«
    »Sie auch?«
    »Wohl eher nicht«, entgegnete ich. »Vielleicht früher mal, ja. Aber ein

Weitere Kostenlose Bücher