Fuerstin der Bettler
der Luderin in die Quere?«, fragte sie.
»Die Luderin muss es ja nicht wissen. Sie mag vielleicht sogar glauben, es wären ihre Mädchen, die sie dort unterbringt.«
Hannah betrachtete Magdalena genauer. Das schmächtige Mädchen vor ihr wirkte so unbedarft und schwach, dass man ihr kaum zutraute, den Wasserkrug vom Brunnen zu holen. Dennoch steckte in ihr eine Verschlagenheit und Schläue, die Hannah Angst machte. Doch Hannah wischte ihr Bedenken beiseite. Wenn sie Gera helfen wollte, musste sie ungewöhnliche Schritte tun. In ihr reifte ein Plan. Sie würde einige der Frauen, die sich mit etwas Kleidung und Farbe im Gesicht ansehnlich herrichteten, mit diesen Aufgaben betrauen.
Magdalena wollte aufstehen und aus dem Zimmer gehen, als Hannah sie am Arm festhielt.
»Du hast eine Frage noch nicht beantwortet, die mir sehr am Herzen liegt.«
Überrascht blieb das Mädchen stehen und versuchte, ihren Arm aus dem Griff zu winden. Doch Hannahs Finger lagen wie eine Eisenfessel um ihr Handgelenk.
»Gera?«, fragte Magdalena nur.
Hannah nickte und presste die Lippen aufeinander.
»Sie bringen mich um, wenn ich auch nur ein Sterbenswort verrate«, sagte sie erneut so leise, dass Hannah sie kaum verstand.
Hannahs Augen füllten sich mit Tränen, und sie wusste nicht, ob vor Zorn oder vor Trauer. Verstand Magdalena denn nicht, wie sehr sie unter der Ungewissheit litt?
»Bitte«, hauchte sie und blickte das Mädchen an. »Was ist mit meiner Tochter?«
Tränen schossen dem Mädchen in die Augen. Hannah vermutete, dass Magdalena sich jetzt entscheiden musste, auf wessen Seite sie sich schlagen sollte. Wenn sie Hannah etwas über Gera verriet, konnte sie sich bei der Luderin sicher nicht mehr sehen lassen. Denn dann war sie als Verräterin gebrandmarkt. Das Wissen um diesen kleinen Verrat würde unter Hannahs Frauen schneller die Runde machen, als sie Geras Geschichte erzählen konnte.
»Sie ist irgendwo draußen, vor der Stadt. Aber niemand kennt den Ort. Ich war auch dort.«
Hannah legte den Kopf schräg. »Was redest du da?«
»Es sind vielleicht zehn oder zwölf Kinder. Die einen kommen, die anderen gehen. Sie ...« Magdalena stockte und kaute auf ihrer Unterlippe, bis sie blutete. »Sie werden von Männern ... bestellt.«
Hannah spürte das Entsetzen in sich aufsteigen wie einen Brechreiz. Was sie bislang nur vermutet hatte, wurde plötzlich Wirklichkeit und trat so nah an sie heran, dass ihr übel wurde. Gera konnte bestellt werden. Vor ihren Augen tauchte ihr Mädchen mit den blonden Locken und dem weichen, unschuldigen Gesicht auf.
»Was genau heißt das?«, stieß sie hervor. »Bist du auch ... bestellt worden?«
Magdalenas Blick verschleierte sich, als wolle sie sich nicht an das erinnern, was sie erlebt hatte. Dann nickte sie nur und hauchte: »Ja!«
Hannah schüttelte fassungslos den Kopf. Langsam begannen sich die Einzelheiten zu einem Bild zusammenzufügen.
»Die toten Mädchen, sie waren alle ... bestellt worden? Und wurden anschließend ... getötet?«
Hannah wollte das Wort eigentlich nicht aussprechen, weil es bedeuten konnte, dass Gera längst tot war.
Wieder nickte Magdalena und schloss die Augen.
»Warum lebst du dann noch?«
Magdalena zuckte mit den Schultern. »Ich ... nur ein kleiner dicker Kaufmann ... er wollte ... meine Unschuld ... aber es machte ihm nichts aus, dass ich ihn ... dass ich ihn ... kenne ..., er ist unverheiratet.«
Hannah konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihre Tochter, wenn sie noch lebte, im Bett irgendeines lüsternen Kerls landen würde, der es auf ihre Jungfräulichkeit abgesehen hatte und anschließend mit einem Fingerschnippen darüber entschied, ob sie weiterlebte oder nicht. Es dauerte eine Weile, bis der Sinn von Magdalenas Worten ganz zu ihr durchdrang.
»Du meinst, die Mädchen müssen sterben, weil irgendein ... irgendein bekannter Bürger der Stadt sie ... sie ...«
Jetzt standen Tränen in Magdalenas Augen. Sie hatte den Kopf noch tiefer gesenkt und presste das Kinn auf die Brust. Ihre Fäuste verkrampften sich über dem Bauch, und sie wurde von Schluchzen geschüttelt.
»Mein Gott, was sind das nur für Menschen?«, hauchte Hannah. Sie atmete schwer. »Weißt du, wo genau du gewesen bist, bevor man dich in die Stadt geschickt hat?«
»Nein«, sagte Magdalena, von harten Schluchzern unterbrochen. »Wir sind lange gefahren und dann getragen worden.«
»Getragen?« Hannah konnte ihre Verblüffung nicht verbergen.
»In
Weitere Kostenlose Bücher