Fuerstin der Bettler
Begleiterinnen.
Diese deutete mit dem Kinn auf einen Stand an der hinteren Wand, der überquoll von erlesenen Seidenwaren und Spitze aus Brüssel.
»Dann los«, befahl Hannah.
Zwei ihrer Frauen, Gertrud und Josefa, streiften an den Ständen vorbei, strichen mit den Händen über die Stoffe, ließen sich dieses und jenes zeigen, und verließen schließlich mit einem Kopfnicken zu Hannah das Ausstellungsgewölbe des Weberhauses. Was nur Hannah und Magdalena gesehen hatten, war, dass Gertrud eine äußerst scharf geschliffene Klinge versteckt in der Hand gehalten hatte.
»Jetzt sind wir dran«, sagte Hannah. Sie schlenderten zu Aigens Stand hinüber.
Misstrauisch beobachtete sie der Standbesitzer, der für den Kaufmann die Geschäfte abwickelte. Er musterte die beiden Frauen abschätzig und schien zu dem Schluss zu kommen, dass sie bei ihm keine Ware würden kaufen können. Dazu würden sie nicht das Geld haben.
»So mein Kind«, begann Hannah. »Für deine Hochzeit soll es nur das Beste sein. Ich habe mir sagen lassen, dass die Stoffe des Kaufmanns Aigen die besten sein sollen.« Sie schaute den Mann am Stand mit einem entwaffnenden Lächeln an. »Oder stimmt das etwa nicht?«
»Doch, Weib«, antwortete der hoch aufgeschossene Kerl grob. In seinem Blick lag noch immer Argwohn.
»Man heiratet nur einmal im Leben«, plapperte Hannah leichthin weiter. »Dafür darf es dann in einem bescheidenen Goldschmiedehaushalt auch einmal etwas mehr sein.«
Jetzt hatte Hannah offenbar die Aufmerksamkeit des Verkäufers erregt. »An welche Stoffe habt Ihr gedacht, Herrin.«
»Oh«, sagte Hannah gespielt bescheiden, »Herrin ist vielleicht etwas übertrieben. Ich bin ein ganz normales Weib geblieben. Auch wenn mein Mann für den Dom arbeitet.«
Der Kaufmann auf der anderen Seite des Tisches schluckte hörbar, weil er die beiden Frauen offenbar falsch eingeschätzt hatte. Sofort ging auf seinem Gesicht eine lächelnde Sonne auf.
»Spitze aus Brüssel, Brokat aus den Niederlanden, Seide aus dem fernen Asien. Hier, fühlt und riecht. Weich wie das Fell eines Kaninchens und duftend nach Kardamom und Zimt. Allerbeste Qualität – und weil die Jungfer Tochter heiratet, macht die Firma Aigen auch einen besonders günstigen Preis.«
Er hatte die letzten Sätze leiser gesprochen, so als wollte er verhindern, dass die anderen Händler mithören konnten.
Doch Hannah scherte sich nicht darum. Sie posaunte wie ein Echo das Angebot noch einmal hinaus, und der Verkäufer zuckte sichtlich zusammen.
»Dann zeigt uns die Seide, mein Herr«, flötete Hannah.
Bereits beim Ausrollen fielen Hannah die durchstochenen Stellen auf. Gertrud hatte ganze Arbeit geleistet.
Sie feilschte hin und her, schmiegte die Seide an ihre Wange, wehrte Schmeicheleien, auch zweideutiger Art, was ihre Haut und die Farbe ihrer Wangen im Vergleich mit der Chinaseide anbelangte, mit stoischer Ruhe ab. Dann feilschte sie über einen Preis, den sie niemals würde bezahlen können, handelte ihn herunter, ließ sich zwei Barchent-Ellen Stoff zugeben, zog sich zurück, tat so, als würde sie sich mit Magdalena beraten, schaute in ihre Börse, die sie zuvor mit Lechkieseln gefüllt hatte, schien ihr Geld zu zählen, kehrte zurück, verhandelte erneut, bis dem Mann hinter dem Stand die Schweißperlen auf der Stirn standen – und schlug schließlich ein.
Vierzehn Barchent-Ellen Seide, von denen sie nur zwölf zu zahlen brauchte. Eigentlich wäre es ein Abschluss gewesen, aufden sie hätte stolz sein können. Man sah es dem verdrießlichen Gesicht des Kaufmanns an, als er die Längen abmaß. Hannah öffnete mit auffälliger Geste ihre Börse, wie um ihr Geld abzuzählen.
Doch kaum hatte der Verkäufer die Schere angesetzt, ließ sie die Finger erneut über den Stoff gleiten, als wäre sie wie verzaubert von der Schönheit der Weberei – und schrie entsetzt auf.
Verwirrt blickte der Kaufmann auf den Stoffballen – und wurde blass. Auch die Käufer und Verkäufer an den umstehenden Ständen hielten in ihren Verhandlungen inne, als Hannah ein grelles »Betrüger!« in das Gewölbe hinaufschrillen ließ.
Sie war unter dem Stoff entlanggefahren und hatte ihren Finger durch einen der Schnitte gesteckt, die Gertrud in den Stoff geschnitten hatte. Der Kaufmann Aigens blickte auf den hellen Finger, der aus dem Loch in der Stoffbahn ragte, als wäre es ein Fingerzeig Gottes.
Hastig glitten Hannahs Hände weiter über die zwölf Barchent-Ellen. Bei jedem Loch, das sie
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