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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Gesicht war entsetzlich blass. Sein erster Gedanke war, Hannah sei tot und die Frauen richteten sie gerade her.
    Bruder Adilbert machte drei schwere Schritte auf das Bett zu. Der Raum roch scharf nach Schweiß. Er kniete sich nieder, legte eine Hand auf den Arm der Röttel. Sie war nicht so kalt, wie er befürchtet hatte, doch es lag keinerlei Kraft mehr darin. Bruder Adilbert traten die Tränen in die Augen. Er hätte dieses Frauenzimmer gern näher kennenlernen wollen. Ihm entfuhr ein Seufzer: »Hättet Ihr nicht warten können?«
    Er nahm die Hand der Röttel, drückte sie an seine Wange und sah vor lauter Wasser in den Augen gar nichts mehr. So kniete er eine ganze Weile, bis er das Gefühl hatte, die Frauenrunde mustere ihn mit einer unverschämten Neugier.
    »Worauf hätte ich warten sollen, Bruder Adilbert?«
    Die Stimme schlich sich sanft in sein Ohr, und im ersten Moment glaubte Bruder Adilbert, er habe einen Engel vernommen. Verwirrt sah er auf die Röttel, ließ ihre Hand los, als wäre sie heiß wie glühende Kohle, wischte sich mit einer energischen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht und blickte in ein geöffnetes Augenpaar.
    »Sagt, dass es ein Wunder ist«, flüsterte er. »Dass Ihr lebt. Es ist ... es ist ... Ich dachte ...« Er brach verwirrt ab.
    »Schön, Euch lebend bei uns zu sehen, Bruder!«, erwiderte die Röttel. Sie lächelte. »Ich bin nur vor Erschöpfung kurz eingenickt, während mich die Frauen gewaschen haben. Bringt Ihr mir gute Neuigkeiten?«
    Hannah lächelte ihn mit einer Wärme an, die ihm wohltat.
    Endlich begriff Bruder Adilbert, dass die Röttel keineswegs tot war und er sich zum Narren gemacht hatte. Hastig erhob er sich und wäre beinahe gestolpert, doch er fing sich schnell wieder.
    Im Hintergrund kicherten einige der Frauen ohne Scham. Wen sie damit auslachten, wusste er nur zu genau.
    »Mein Gott, wie seht Ihr denn aus?«, sagte die Röttel leise, der es noch nicht ganz gut ging, aber schon erheblich besser.
    »Ich ... äh ... das Haus ...«, stotterte er los, doch eine Bewegung der Röttel ließ ihn verstummen.
    »Jetzt mal von vorn, Bruder Adilbert. Ich werde in der Zwischenzeit eine Salbe auf Eure Wunden tun und sie dann verbinden.«
    Die Röttel ließ sich aus dem Bett helfen und setzte sich aufdie Kante. Hilfreiche Hände reichten ihr einen Tiegel und heißes Wasser sowie ein frisches Tuch. Eine Frau brachte einen niedrigen Schemel, auf den Bruder Adilbert sich setzen musste. Hannah streifte ihm Wams und Hemd ab, dann begann sie mit ihrer Arbeit. Bruder Adilbert schloss die Augen und erzählte. Die Schmerzen zuvor schienen ihm kein zu geringer Preis für die Berührung durch die Hände der Röttel zu sein.
    »Wir werden etwas tun«, murmelte diese immer wieder dazwischen. »Deshalb habe ich all die Frauen zu uns kommen lassen. Wir werden ihm mit weiblichen Mitteln das Handwerk legen – und seinem Mördergeist ebenfalls. Diesem Weißgesicht.«

4
    Z wei Tage später hatte Hannah von ihrem Geld für vier Frauen Kleider gekauft, sodass sie nun aussahen wie stattliche Handwerkerweiber. Bevor sie zu ihrem großen Vorhaben aufgebrochen waren, hatten sie sich gegenseitig begutachtet und Haltung sowie die Gestik geübt, damit sie als ehrbare Ehefrauen glaubhaft wirkten.
    Dann waren sie losgezogen, Hannah in ihrer Mitte, die, noch immer ein wenig hustend, langsamer ging. Hannah hatte sich die nachgewachsenen blonden Haare mit Walnussöl braun gefärbt, damit sie nicht zufällig erkannt wurde. Die Narben, die sich über den Hals und über die Wange hinaufzogen, begannen langsam zu verblassen, und es bildete sich frische Haut. Hannah hatte die Hoffnung, dass sie nicht so entstellt sein würde, wie sie befürchtet hatte. Doch noch waren die Wunden deutlich zu sehen.
    Jetzt standen sie vor den Tuchauslagen im Gewölbe des den Webern zugewiesenen Hauses.
    Im kühlen Erdgeschoss des Weberhauses waren ein gutes Dutzend Stände aufgebaut, wo die Stoffballen oft mannshoch aufgetürmt waren. Die billigeren Stoffe wurden an den vordersten Tischen feilgeboten. Je teurer die Stoffe waren, desto tiefer musste man ins Gewölbe hinein. Ganz hinten, an der Wand, verkauften die Ritschart, die Vögelin, die Aigen, ohne dass die Stände besonders kenntlich gewesen wären. Die Luft roch nach trockenem Wollstoff sowie nach dem feuchteren Loden, vermengt mit den fremdartigen Düften von Seide und Brokat.
    »Welcher Stand gehört Aigen?«, fragte Hannah flüsternd eine ihrer

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