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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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entdeckte, entfuhr ihr ein weiterer Schrei, der in dem Gewölbe widerhallte, in dem es inzwischen so still geworden war, dass man ein Seidentuch hätte fallen hören können.
    »Ihr wolltet mir schadhafte Ware verkaufen? Ihr wolltet mich über den Löffel balbieren? Seht hier, wieder ein Loch. Und da! Das Tuch ist löchrig, durch und durch!« Hannah zog den Stoff auseinander, sodass die Schnitte sichtbar wurden. »Ihr seid ein Scharlatan. Ein Betrüger! Ich habe dem Aigen vertraut, mehr als jedem anderen Kaufmann. Aber ich sehe, der Betrug macht auch vor Eurem Haus nicht halt.«
    Sie hob den Kopf, schloss nachdrücklich ihre Börse wieder, und stolzierte davon. Über die Schulter sagte sie kühl zu dem immer noch stummen Kaufmann am Aigen-Stand: »Ich bin gespannt, wie Marktaufsicht und Zunft darüber denken.«
    Hannah wusste, dass die Weber einen besonders strengen Ehrenkodex pflegten, vor allem deshalb, weil sie noch keine eigene Zunft hatten bilden dürfen. Von daher wurde jeder Verstoß doppelt misstrauisch beäugt. Die Weber würden dem Kaufmann für einige Zeit Schwierigkeiten machen.
    Mit dem Wort »Lump!« verließ Hannah das Gewölbe und schritt hoch erhobenen Hauptes über den Brotmarkt davon. Hinter ihr erhob sich ein Gemurmel.
    Hannah fühlte sich, als hätte sie aus den Verhandlungen und aus dem kleinen Sieg Kraft, eine ganz eigene Kraft gesogen. Aigen hatte ihre Familie aus reiner Gier zerstört. Sie würde ihm zeigen, dass man dies nicht ungestraft tun durfte.
    Mit erhobenem Haupt steuerten die Frauen auf das Tanzhaus zu. In dessen Untergeschoss hatte man einen kleinen Viktualienmarkt für empfindliche Kräuter und Gewürze errichtet. Aigen unterhielt dort einen Verkaufsstand, an dem Pfeffer, Muskatnuss, Nelken und natürlich Salz feilgeboten wurden.
    Hannah lachte laut in den Augsburger Frühmorgen hinauf, als sie sich vorstellte, was gleich geschehen würde.
    Wie ein Schwarm Mücken fielen die fünf Frauen ins Untergeschoss ein. Auch hier überwölbte eine aus rotem Ziegel gemauerte Decke den Raum, doch die vordere Reihe der Säulen bildete nur eine Art Arkaden, die nach außen offen waren. Die zweite Säulenreihe beherbergte in die Nischen zwischen den steinernen Pfeilern gebaute Geschäfte. Es duftete nach Fremde, nach weiten Wegen, nach Abenteuer und Gefahr. Woher kamen die Gewürze? Ihr Mann hatte davon gesprochen: vom anderen Ende der Welt – und das buchstäblich. Man sog diese sagenhafte Entfernung regelrecht durch die Nase ein.
    Rasch schwärmten die Frauen aus, rochen an diesem Säckchen, ließen sich dort einen Krug öffnen, hier ein paar Tropfen eines Öls auf die Handfläche träufeln, schmeckten und schnüffelten, und nach kurzer Zeit erfüllte ein Duft das Geschoss, der allein schon Träume hätte wecken können. Zwischendurch ließen die Frauen den Geldbeutel klingeln und reizten so die Gier der Verkäufer. Aigens Stand war schnell ausgemacht. Er lag am Ende der insgesamt sieben Geschäfte umfassenden Reihe. Kein allzu günstiger Platz. Dazu war Aigen wohl erst zu kurz im Gewürzgeschäft tätig.
    Hannah war von einem zum anderen Stand geschlendert und war dann bei Aigen stehen geblieben. Der Mann betrachtete sie misstrauisch, weil ihre verbrannte Kopfseite noch nicht ganz verheilt war und die Haut sich dort immer noch rötlich abhob. Sie sah den Mann scharf an und ließ sich seine Ware zeigen, die er in kleine Säckchen abgepackt hatte.
    Wie auf einen geheimen Befehl hin versammelten sich plötzlich alle Frauen um dieses Geschäft. Hannah ließ sich ein Säckchen Pfeffer öffnen, feilschte wieder um den Preis und wollte eine feine Messerspitze probieren, schon um den Verdacht zu zerstreuen, der Pfeffer Aigens könnte mit Mäusekötteln durchsetzt sein.
    »Man hört ja so manches«, ließ Gertrud fallen. »Also, mein Mann war schon auf der Walz in Antwerpen und hat gesehen, wie sie den Mäusedreck sammeln und dem Pfeffer zusetzen.«
    »Brrr«, machte Hannah schaudernd.
    »Ich versichere euch, Herrin«, widersprach der Verkäufer, »Aigen führt nur unverfälschte Ware.«
    »Dann lasst mich probieren!«, forderte Hannah.
    »Wenn es denn sein muss. Aber versteht, dass ich nicht meinen ganzen Pfeffer auf die Zungen der Augsburger Bürgerinnen streuen kann, sie würden sonst noch schärfer, als sie ohnehin schon sind!«
    Außer den beiden Verkäufern in den Geschäften nebenan lachte niemand.
    »Ihr werdet unsere scharfe Zunge kennenlernen, wenn es sich nicht um Pfeffer handelt!«,

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