Fuerstin der Bettler
müssen also an einem Ort versteckt gehalten werden, den niemand zufällig betritt, wenn er die Stadt verlässt.« Bruder Adilbert legte nachdenklich die Stirn in Falten, dann nahm er ihre Hand. Sie fand es bewegend und entzog sie ihm nicht, weil sie das Gefühl hatte, dass diese Berührung ihr guttat.
Bruder Adilbert murmelte vor sich hin – bis er sich mit der freien Hand auf den Schenkel schlug. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass er ihre Hand hielt, denn er starrte etwas überrascht und verlegen darauf, ohne loszulassen, und errötete vom Hals bis zum Haaransatz, so als hätte er ein ganzes Fass Wein allein geleert.
»Ihr könnt mich loslassen, Bruder Adilbert«, sagte Hannah leise. »Ich werde nicht umsinken.«
»Oh ja, natürlich.« Als wäre ihre Hand glühendes Eisen, ließ er sie los.
»Und jetzt?« Ihre Stimme klang sanft. »Ihr hattet doch bestimmt einen Gedanken, den ihr mir mitteilen wolltet – oder etwa nicht?«
»Äh, doch«, stammelte Bruder Adilbert. »Natürlich.«
Bruder Adilbert verhielt sich so, wie ihr Mann sich verhalten hatte, als sie sich zum ersten Mal allein begegnet waren: schüchtern und unbeholfen, als könnte er nicht bis drei zählen und seine Gedanken zusammenhalten.
War Bruder Adilbert in sie verliebt? Ein Mönch! Oder deutete sie seine Verlegenheit falsch? Vermutlich. Er war einfach nur den Umgang mit Frauen und überhaupt mit Menschen nicht gewohnt.
»I-ich«, stotterte der Mönch. »Ich glaube ... also ich habe eine Ahnung, wo die Kinder ... ich meine, die Mädchen ... also Gera, Eure Tochter ...« Bruder Adilbert seufzte, weil er selbst bemerkte, wie sehr er sich in seiner Unsicherheit verstrickte. »... wo Eure ... Tochter ... verborgen gehalten werden könnte ...«
»Bruder Adilbert«, unterbrach Hannah ihn sanft. »Sammelt Eure Gedanken und sagt, was Ihr denkt.«
Bruder Adilbert nickte und räusperte sich. Dann sah er sie an – und in seinem Blick flackerte eine Flamme, die Hannah gut kannte.
Ein Lächeln umspielte ihre Augen. Sie nahm die Hand des Mönchs und hielt sie fest. Der blickte zuerst auf ihre Hand,die sich um seine Rechte geschlossen hatten, dann auf Hannah, und dann begann er langsam und in gesetzten Worten zu sprechen.
»Vor der Stadt, auf dem Weg zur Brücke über die Wertach, steht eine kleine Kapelle. Sankt Sebastian heißt sie. Es gibt dort ein Haus für Sieche und Aussätzige, das Leprosenhaus. Johann Landsberger, ein Gewandschneider, hat beide vor einem halben Jahrhundert gestiftet. Dieses Leprosenhaus nimmt aber nur Mädchen und Frauen auf. Würde ich Kinder vor den Augen aller verstecken müssen, dann würde ich es dort tun.« Bruder Adilbert sah nach oben, als würde er an der Decke die Lösung finden. »Niemand würde je auf den Gedanken kommen, dort zu suchen. Die Angst vor den Leprosen ist viel zu groß.«
Hannah ließ sich das, was sie von Bruder Adilbert gehört hatte, durch den Kopf gehen.
Das Leprosenhaus lag einerseits nicht weit abseits des Hauptwegs und war dennoch nah genug an der Stadt, aber weit genug entfernt, damit die Aussätzigen nicht auffielen. Man konnte andererseits die Kinder rasch von dort über den Graben zum Lusthäuschen rudern und in die Stadt bringen. Außerdem würde niemand je freiwillig ein Leprosenhaus besuchen, also wagte sich kaum einmal jemand dorthin. Der Mönch hatte wohl recht. Es war ein ideales Versteck. Das Entsetzen und das Hochgefühl der Hoffnung hielten sich die Waage. Gera!
Sie drückte die Hand des Mönchs und führte sie an ihre Lippen, dann bückte sie sich, einer Eingebung folgend, und küsste ihn auf den Mund. Es war nur eine leichte Berührung, mit der ihre trockenen Lippen die seinen streiften, doch sie fühlte, wie ein ganzes Feuer prasselnd in ihr aufloderte. Rasch löste sie sich wieder von ihm und richtete sich auf.
Bruder Adilbert sah sie an, als würde ein ganzer Sturm Engel auf ihn niedergehen.
»Ich muss zum Leprosenhaus. Begleitet Ihr mich?«, fragte sie bemüht sachlich.
»Aber ... das war nur so ... so eine Überlegung.« Der Mönch sah Hannah verblüfft an.
»Eine, der wir nachgehen müssen. Und zwar schnell«, sagte Hannah. »Wenn die Kinder wirklich dort sind und Magdalena uns verraten hat, dann sind die Kinder in größter Gefahr.« Sie sah den Mönch durchdringend an. »Seid Ihr dabei?«
»Mit ... äh ... selbstredend, Röttel«, stotterte der Mönch. »Aber seid Ihr nicht noch zu schwach für diesen ... diesen Ausflug vor die Stadt?«
»Das lasst
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