Fuerstin der Bettler
Röttel. Und so dankst du es mir?«
»Du glaubst, du hast mir geholfen? Für das Messer, Luderin, danke ich dir.« Hannah ging einen Schritt auf die Frau zu. »Doch bevor wir weiterreden, will ich dir etwas sagen. Das Haus, das oben im Pfaffenwinkel gebaut wird, entsteht auf meinem Grund und Boden. Egal, wer dort baut, und egal, was er baut, Luderin. Er macht es ohne meine Genehmigung. Dagegen werde ich mich wehren. Die Herdstelle und das Recht, dort zu wohnen, werde ich mir zurückholen. Außerdem«, Hannah senkte bedrohlich die Stimme, »soll vermutlich in diesem Haus meine Tochter an einen Freier vergeben werden. Wenn ich etwas verhindern werde, dann das!«
Hannah bemerkte, wie die Luderin unsicher wurde.
»Der Bau gehört Aigen. Er hat ...«
»Oh«, unterbrach Hannah die Mutter der Hübschlerinnen, »hat er dir angeboten, du könntest das Haus für ihn betreiben?«
»Nächsten Sonntag schon!«, fauchte die Luderin.
»Wie großzügig von ihm. Es wird ihm aber nicht gelingen, denn ich habe ihm keine Genehmigung erteilt, Luderin.«
»Er braucht keine Genehmigung. Er hat einen päpstlichen Gesandten eingeladen, den Stadtpfleger und weitere Würdenträger. Da wird er auf deine Genehmigung scheißen, Röttel!«
»Das glaube ich nicht!« Hannah sah der Luderin in die Augen und spürte gleichzeitig die Kälte, die darin lag. »Ich habe einen Grund, warum es ihm nicht gelingen wird. Er hat die Apotheke meines Mannes dafür niederbrennen lassen. Er hat ihn getötet. Er hätte mich beinahe ersäufen lassen.« Sie fuhr sich über ihr immer noch gerötetes Gesicht. »Er hat mich gezeichnet – und er ...« Hannah stockte. Sie hatte schon zu viel gesagt. Dass Gera in seiner Gewalt war, musste sie verschweigen. »Nein, ich werde mir mein Eigentum wieder zurückholen. Du kannst mich dabei unterstützen – oder mich als Gegnerin erleben, Luderin. Wähle. Aber lass dir nicht allzu viel Zeit.«
Bei jedem Satz war sie näher an die Luderin herangetreten, bis sie so dicht vor ihr stand, dass sie die Pockennarben sehen konnte, die unter dem Haaransatz der Luderin kleine Krater in die Haut gerissen hatten.
Die Gerte ihrer Nachbarin schlug unentwegt auf die Unterschenkel, als müsse sie sich zügeln.
»Du wirst dich zurückhalten müssen, Röttel. Aigen weiß um dein ... kleines Geheimnis.«
Hannah fühlte, wie sie blass wurde. »Was für ein ...?« Das war alles, was sie sagen konnte.
Die Luderin sagte nichts, doch ihre Lippen bildeten lautlos einen Namen: G-E-R-A!
Hannah spürte, wie ihr Herz schneller schlug, wie ihr Kopf rot anlief. Dann brach es aus ihr heraus.
»Du wirst dieses Haus niemals leiten, Luderin«, zischte Hannah, dann fuhr sie fort: »Du hast also die Wahl zwischen der Wasserzelle in den Hexenlöchern oder der Unterstützung meiner Sache!«
Hannah drehte sich um und tat so, als wollte sie weggehen. Doch dann zögerte sie und wandte sich noch einmal zur Luderin um, wie beiläufig, so als habe sie etwas vergessen.
Die Luderin stand da, die Lippen zusammengepresst und mit zu Schlitzen verengten Augen. Ein triumphierendes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
Leise flüsterte Hannah: »Aigen handelt mit Kindern, die er, nachdem sie ... benutzt worden sind ...« Hannah tat sich schwer, das Wort auszusprechen. Sie spuckte auf den Boden, so widerlich war der Geschmack dieser Buchstaben. »... dann lässt er sie töten!« Beim letzten Wort blickte sie in die Augen der Luderin. »Willst du das wirklich auf dein Gewissen laden?«
Hannah entdeckte keinerlei Regung in den Augen der Luderin – und sie begriff, dass für die Luderin nichts von dem, was Hannah zu ihr gesagt hatte, neu war oder sie zu überraschen vermochte.
»Mein Gott«, entfuhr es ihr da. »Du wusstest davon? Du wusstest die ganze Zeit davon!«
Mit einem Zischen fuhr die Gerte der Luderin durch die Luft. Doch bevor sie Hannahs Gesicht berührte, fiel sie zu Boden. Die Schwarze Liss hatte ihren Stock dazwischen gehalten und der Luderin die Waffe aus der Hand geschlagen. Ein zweiter Stockhieb traf die Luderin gegen die Brust und zwei weitere, rasch hintereinander ausgeführte im Gesicht und am Kopf. Langsam verdrehte die Frau die Augen und sackte in sich zusammen.
Hannah starrte zuerst auf die Luderin, dann auf die Liss. »Danke, Liss!«, hauchte sie. Ihre Stimme zitterte. Schließlich schrie sie: »Magdalena!« Der Name gellte durch das Haus. Es war, seit sie hier Quartier bezogen hatten, der erste laute Ton, der durch das Gebäude
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