Fuerstin der Bettler
vernachlässigte.
»Hannah«, sagte sie. »Ich habe Euch schon mehrmals gesagt, Ihr sollt mich Hannah nennen.«
Es berührte sie, als Bruder Adilbert die Augen niederschlug. Wenn sie die Hinweise richtig deutete, dann empfand der Mönch tatsächlich mehr für sie, als er zu zeigen bereit war.
»Ich werde es nie lernen«, sagte er leise. »Doch Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Hannah. Ihr verlasst die Stadt? Die Frauen haben mir so etwas zugetragen.«
Jetzt musste Hannah herzhaft lachen. »Welche Frauen denn, Bruder Adilbert? Ihr werdet doch nicht etwa das Angebot der Luderin angenommen haben?«
Erschrocken wehrte der Mönch ab und wedelte heftig mit den Händen.
Hannah wich einen Schritt zurück, stolperte und wäre gestürzt, wenn der Mönch sie nicht geistesgegenwärtig an einer Hand gepackt hätte.
»Ihr seid noch schuld, wenn ich mir das Genick breche«, schaltsie, doch sie ließ seine Hand nicht mehr los. Auch der Mönch schien nichts dagegen zu haben, sie festzuhalten.
Die Frage von eben stand noch immer zwischen ihnen. In Bruder Adilberts Miene konnte sie die Hoffnung lesen, er hätte die Gerüchte vielleicht missverstanden.
»Ich kann nicht bleiben, Bruder Adilbert.«
»Aber der Magistrat hat Euch wieder in alle Eure Rechte eingesetzt. Ihr habt das Grundstück zurückerhalten, habt den Palast als Entschädigung für den gewaltsamen Tod Eures Gatten bekommen, Ihr könntet sogar als die Witwe Eures Mannes die Apotheke weiterführen.«
Hannah sah, wie die Augen des Mönchs leuchteten, als er all die Erfolge aufzählte, die er für sie und mit ihr erstritten hatte. Dennoch blieb bei ihr ein schaler Geschmack zurück.
Stolzhirsch hatte all dem nur zugestimmt, weil er befürchtete, Bruder Adilbert würde ihm, im Zusammenspiel mit dem Nuntius, den Tod Magdalenas anhängen. Bruder Adilbert hatte ihr alles bis ins Kleinste hinein erzählt, und daher wusste sie nur zu gut, welches Druckmittel der Mönch auch dem Nuntius gegenüber hatte. Schließlich hatte sie Gallina, die mit Gera eng befreundet war, jeden Tag vor Augen. Solange er sich in Augsburg aufhielt, war der Nuntius Wachs in ihren Händen. Das würde sich allerdings ändern, sobald er die Stadt verlassen hatte. Dann konnte auch die Stimmung des Stadtpflegers ihr gegenüber umschlagen.
»Mein Lieber«, begann Hannah leise. »Ich habe Palast und Grundstück bereits verkauft.«
Sie bemerkte seinen bestürzten Blick. »Keine Sorge. Der Preis war sehr gut. Das Geld wird reichen, um Gera und mir einen Neuanfang zu ermöglichen. Nicht hier in Augsburg. Wir werden in dieser Stadt keine Zukunft haben, solange ein Aigen nicht verurteilt und hingerichtet wird. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass das niemals der Fall sein wird.« Ihr Ton wurde bitter. »Erist Patrizier und allein deshalb unschuldig – vor allem deshalb. Außerdem ist der einzige Zeuge, der Weißfuchs, zufällig in der Wasserzelle ertrunken.«
»Wann war das?«, hauchte der Mönch.
»Heute Nacht. Der Wärter der Hexenlöchern hat es mir erzählt.«
Bruder Adilbert pfiff durch die Zähne.
Hannah wusste, was dieser Pfiff bedeutete. Es war alles noch nicht zu Ende. Die Ereignisse hatten sich nur verlangsamt. Hannahs Gegner formierten sich neu.
»Ich habe es zur Bedingung gemacht, dass den Frauen das Haus weiter zur Verfügung steht, als Anlaufstelle für Bettlerinnen und Witwen wie mich«, erklärte Hannah.
»An wen habt Ihr verkauft?«
»An die Benediktinerinnen von Sankt Stephan«, sagte Hannah und lachte.
Sie gingen nebeneinander her in Richtung des Stephinger Tors. Hannah hatte die Hand des Mönchs wieder losgelassen, und auch er hatte sich zögernd von ihr gelöst.
»Wann brecht Ihr auf?«, fragte der Mönch.
»In zwei Stunden. Deshalb wollte ich Euch noch einmal sehen.« Hannah bemerkte, wie der Mönch schluckte. So rasch hatte er ihren Abschied wohl nicht erwartet. Doch seit der Weißfuchs tot war, war sie in Gefahr. Aigen spann bereits wieder am Netz seiner Intrigen.
Ihm selbst war nichts nachzuweisen gewesen. Keiner der städtischen Magistrate hatte es gewagt, ihn zu beschuldigen. Alles wurde dem Weißfuchs angelastet, selbst die Entführung ihrer Tochter und die Ermordung ihres Mannes. Aigen behielt seine weiße Weste.
Vom Tod des Weißfuchses wusste noch niemand. Der Wärter würde ihn erst bekannt geben, wenn sie und Gera die Stadt verlassen hatten. Sie selbst hatte nur deshalb davon erfahren, weil sie zweimal in der Zelle gewesen war, um von dem Weißgesichtigen
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