Fuerstin der Bettler
schien.
Hannah begann von der ersten Toten zu berichten, die sie gefunden hatte, von den weiteren Leichen, von den Mädchen, die als Gespielinnen angeboten wurden, um dann ermordet zu werden. Als eine Woge des Unmuts sich unter den Männern aufbäumte, ließ sie Antonia vortreten, die mit ausdrucksloser Stimme erzählte, wie ein Domkapitular sich an ihr vergangen hatte.
Schließlich wurde auf einen Wink hin der Körper Magdalenas in die Mitte getragen.
Hannah ging zu der toten Frau hin, dann deutete sie auf Hartmut Aigen und sagte: »Er hat sie getötet. Er hat sie töten lassen – und zwar ...«, wieder gab sie den Mädchen hinter ihr einen Wink, und zwei Frauen trugen den gefesselten Weißfuchs heraus, der sich im Licht nur schwach wehrte. »Und zwar durch ihn!«
Ein irres Lachen erfüllte den Innenhof, das nicht mehr aufhören wollte. Es hätte wohl noch endlos angedauert, wenn nichtdas Dröhnen von Faustschlägen gegen das Tor die völlig aberwitzige Situation durchbrochen hätte.
Die Männer standen starr da – manche hatten sich einfach auf den gepflasterten Boden gesetzt. Anderen liefen die Tränen über die Wangen. Viele schüttelten den Kopf. Mit dem Dröhnen der Schläge wurden sie aufgeschreckt, hasteten zum Teil kopflos durcheinander, suchten Zuflucht in den Zimmern, was ihnen jedoch von den Frauen verwehrt wurde.
Zwei der Dienerinnen huschten ans Tor – und dann brachen die Stadtbüttel in die Gesellschaft ein. Mit erhobenen Lanzen und gezogenen Schwertern hielten sie die Gesellschaft in Schach. Nur die Frauen, die den Wachen das Messer an die Kehle hielten, ließen sich nicht verscheuchen.
»Nehmt sie gefangen. Verhaftet das Gesindel. So helft mir doch. Hilfe!«, schrie Hartmut Aigen von der Balustrade herab und deutete auf Hannah und den Mönch.
Der Stadthauptmann sah sich überrascht um, doch bevor er etwas sagen, bevor er etwas tun konnte, trat der Stadtpfleger Stolzhirsch in den Innenhof.
»Stadthauptmann. Gut, dass Ihr gekommen seid. Nehmt den Mann hier fest.« Er deutete auf den Weißfuchs. »Auf ihn wartet der Galgen. Also ab in die Hexenlöcher.« Dann drehte er sich um und blickte zur Balustrade hinauf. »Hartmut Aigen, Ihr steht unter Hausarrest. Untersteht Euch, Euer Stadthaus zu verlassen.« Dann wandte er sich erneut an den Stadthauptmann. »Nehmt ihn mit – und stellt eine Wache vor das Haus.«
Die Befehle des Stadtpflegers gellten über den Innenhof wie Peitschenhiebe. Der Stadthauptmann nickte nur und versah seinen Dienst.
Unter Stolzhirschens Aufsicht wurden die beiden Männer in Eisen gelegt. Dann trat der Stadtpfleger zu Bruder Adilbert hin und nahm ihn beiseite.
»Auf ein Wort, Mönch«, begann er. Dabei sah er den Benediktiner mit einem etwas schrägen Blick an, denn der steckte schließlich in einer mehr als weltlichen Kleidung. Außerdem hatte der Stadtpfleger ihn auch noch als Frau verkleidet erlebt.
»Nennt mir einen Grund, warum ich Euch und diese ... Bettlerin nicht ebenfalls an den Galgen bringen sollte.«
Bruder Adilbert schnaufte abschätzig. »Ihr kennt den Grund genauso gut wie ich selbst.«
Die beiden Männer blickten einander lange in die Augen.
»Warum habt Ihr das Ganze mit mir und dieser ... dieser Magdalena und dem päpstlichen Nuntius inszeniert?«, fragte Stolzhirsch.
Der Mönch verzog den Mund, dann antwortete er dem Patrizier spöttisch. »Hättet Ihr einer Bettlerin auch nur einen Moment lang zugehört, wenn ich Euch darum gebeten hätte? Seid ehrlich zu Euch selbst. Natürlich nicht. Und warum? Weil sie bis jetzt in Euren Augen eine Bettlerin ist. Auch wenn sie mehr ist als das, auch wenn mehr Adel in ihrem Blut fließt, als bei allen Patriziern dieser Stadt zusammen. Sie ist eine wahre Fürstin, Stolzhirsch. Die Röttel, oder die Hannah Meisterin, wie sie wirklich heißt, ist für Wahrheit und Gerechtigkeit eingestanden. Doch sie musste schwer darum kämpfen. Wirkliche Gerechtigkeit, Stolzhirsch, die gibt es nur für die Reichen und Mächtigen. Wir Armen müssen sie uns erzwingen.«
13
I hr verlasst die Stadt, Rött... äh, Meisterin?«
Hannah lächelte Bruder Adilbert zu. Sie hatte ihn ins Herz geschlossen und seine ruhige und bedächtige Art schätzen gelernt. Er war ihr in den letzten Wochen eine unentbehrliche Hilfe gewesen, obwohl er sich mehrmals mit dem Abt von Sankt Ulrich und Afra in den Haaren gelegen hatte bezüglich seiner geistlichen Aufgaben und Pflichten, die er in den Augen seines Oberen zu sehr
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