Fuerstin der Bettler
zu erfahren, warum er nicht nur ihren Mann ermordet, sondern auch ihre Tochter entführt hatte. Gesagt hatte er es ihr nicht. Nur höhnisch gelacht.
Hannah und Bruder Adilbert gingen eine ganze Weile nebeneinander her, und beide hingen ihren Gedanken nach. Schließlich räusperte sich der Mönch. Hannah musste lächeln. Er verhielt sich so ... sie fand nur ein Wort dafür, und das wollte sie eigentlich gar nicht denken: einfühlsam.
»Was habt Ihr, Bruder Adilbert?«
Der Mönch sah sie von der Seite an, dann starrte er wieder auf den Weg vor sich. Die mit Lechkieseln gepflasterte Straße forderte die ganze Aufmerksamkeit.
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«, sagte der Mönch.
»Was soll ich mir denken, Bruder Adilbert?«
Sie sah, wie er mit sich kämpfte. Er wollte etwas sagen, zögerte, setzte erneut an, holte Luft – und stieß sie wieder aus, ohne einen anderen Laut als einen bedrückten Seufzer von sich zu geben.
»Ich hätte mir nie vorstellen können, wie schwer es ist, mit einer Frau zu reden«, sagte er.
Jetzt musste Hannah hellauf lachen. »Warum ist das so schwer? Ihr habt doch mit mir geredet.«
»Unendlich schwer, Hannah«, sagte er ernst, und sie schwieg. Sie wollte ihn weder kränken noch entmutigen, weil sie sehr wohl fühlte, wie wichtig ihm das war, was er sagen wollte.
»Dann redet mit mir wie mit einem Mann!«, ermunterte sie ihn versöhnlich und blieb stehen.
Bruder Adilbert machte zwei weitere Schritte, bis er bemerkte, dass Hannah nicht mehr neben ihm herging. Rasch drehte er sich zu ihr um. Ihre Blicke trafen sich – und Hannah ahnte, wasdem Mönch so auf dem Herzen lag. Einem solchen Blick war sie schon einmal begegnet: vor vielen Jahren, als Jakob um ihre Hand angehalten hatte.
»Hannah«, sprudelte es plötzlich völlig wirr und unverständlich aus dem Mönch heraus. »Ich würde Euch gern ... begleiten. Nicht nur als ... als Mönch ... ich will ... äh muss ... will ... den Orden ... verlassen ... um Euch ... mit Euch ...«
Bruder Adilberts Ohren leuchteten hellrot, und sein Gesicht hatte eine fast purpurne Farbe angenommen, die Hannah fast Sorgen machte. Sie fand ihn reizend in seiner Schüchternheit und hätte ihm am liebsten auf offener Straße einen Kuss gegeben, wenn es sich geschickt hätte.
»Ich weiß nicht, Bruder Adilbert ...«, sagte sie und bemerkte, wie alle Hoffnung aus seinen Zügen wich. »Ich weiß nicht genau, was Ihr mir da gerade habt sagen wollen.« Hannah fand selbst, dass das keine geschickte Art gewesen war, zu antworten. »Um das herauszufinden, müsstet Ihr mir nur eine Frage beantworten. Ihr könnt einfach mit Ja oder Nein antworten.« Sie hielt inne, um zu sehen, ob sie ihn mit ihrer unverblümten Art verletzt hatte.
»Also: Würdet Ihr mit mir nach Frankfurt gehen?«
Dem Mönch blieb die Luft weg. Er schwankte.
»Ihr ... Ihr ... Ihr würdet mich mitnehmen?«
»Deshalb wollte ich Euch sprechen. Aber Ihr müsst Euch sofort entscheiden. Gera und Gallina warten bereits vor der Stadt auf mich.«
Der Mund des Mönchs öffnete und schloss sich mehrmals hintereinander, ohne dass ein Laut herauskam.
»Ja!«, stieß er endlich hervor. »Ich gehe mit Euch, wohin Ihr wollt«, fuhr er fort. »Auf der Stelle!« Adilbert hob seine Kutte und zog sie über den Kopf hastig aus. Darunter trug er lederne Reisekleidung und eine Tasche. »Aus der Truhe des Tischlers«,entschuldigte er sich verlegen. Er berührte leicht seine Tonsur. »Das wird sich auswachsen«, sagte er nur.
Mit einem gewissen Vergnügen sah Hannah, dass der Mönch immer noch rot war wie ein reifer Apfel.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen, übermütigen Kuss auf die Wange.
Mit Schwung rollte er das wollene Habit zusammen und klemmte es sich unter den Arm.
Hannah hängte sich bei ihm ein und legte den Kopf leicht an seine Schulter, bevor sie losgingen.
»Uns hält hier nichts mehr, Adilbert«, sagte sie leise.
»Gar nichts mehr«, antwortete er.
»Sollte das eben übrigens ein Heiratsantrag gewesen sein, lass mir noch etwas Zeit, mich an den Mann zu gewöhnen. Ich ... ich glaube, ich kenne erst den Mönch. Aber was ich bisher von dem Mann gesehen und erlebt habe, gefällt mir durchaus.«
Im Gleichschritt gingen sie weiter bis zum Stephinger Tor. Niemand hinderte sie am Durchschreiten des Tordurchgangs. Erst als sie unter dem Torbogen standen, ertönte hinter ihnen ein energisches und hartes »Halt!«
Hannah und der Mönch fuhren
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