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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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die Stadt schneller verlassen müssen, als dir lieb ist«, zischte die Bettlerin sie an. »Sei froh, dass sie nicht nach oben gesehen haben.«
    Hannahs Herz klopfte wild. Der Schreck war ihr in die Glieder gefahren, sodass sie am ganzen Leib zitterte, und ihr war plötzlich bewusst geworden, dass sie zum Freiwild geworden war. Nichts und niemand würde sie beschützen, wenn man sie bei einem Frevel wie dem Betreten des Wehrgangs erwischte.
    »Verflucht!«, entfuhr es der Schwarzen Liss plötzlich, und sie ließ sich hinter die Verschalung zurückfallen.
    »Was ist?« Hannah hauchte die Frage nur. Sie konnte kaum reden, so heftig hämmerte ihr das Herz in der Brust.
    »Ich weiß, wer dieser Laffe mit den Straußenfedern ist«, flüsterte die Bettlerin. »Und den Rothaarigen im Hintergrund wirst du noch kennenlernen.«
    »Jetzt sag schon«, drängte Hannah.
    Doch die Schwarze Liss hielt sich die Hand vor den Mund und schüttelte nur den Kopf.
    Also ließ sich Hannah auf alle viere nieder und spähte selbst an der Bretterwand vorbei.
    Die beiden Männer steckten wieder die Köpfe zusammen und schienen miteinander zu flüsterten. Immer wieder deutete dermit den Pfauenfedern zur Stadtmauer hin, machte Schaufelbewegungen mit den Händen und zeigte auf den Platz vor ihm.
    Allerdings kehrte er ihr weiterhin den Rücken zu, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
    Hannah richtete sich wieder auf. »Wen hast du eben gesehen?«, fragte sie die Bettlerin.
    Zuerst bewegten sich nur die Lippen der Schwarzen Liss, tonlos, als getraute sie sich nicht, die Stimme zu heben. Schließlich würgte sie zwei Wörter hervor: »Hartmut Aigen!«
    »Aigen?«, wiederholte Hannah. » Der Aigen?«
    Schwerfällig, als sei ihr ganzer Körper gelähmt, nickte die Schwarze Liss.
    »Und der andere, der Rothaarige?«
    »Es ist der Rote . Einer unserer ... Bettlerkönige.«
    Hannah hob fragend die Brauen. Sie kroch noch einmal vor bis zum Rand und beobachtete die beiden Männer dort unten. Diese hatten die Stimmen gesenkt, sodass sie nichts mehr verstehen konnte. Mit beiden Armen machte Aigen ausholende Bewegungen und gestikulierte in der Luft, als zeigte er Mauern an oder umriss Gebäude. Es wirkte ganz so, als plane Aigen den Bau eines Hauses – ein Haus auf ihrem Grund und Boden! Hannah konnte nicht fassen, was sie sah. Schließlich war sie als Erbin noch am Leben. Niemand durfte dort ohne ihre Zustimmung ein Haus bauen. Auch wenn drei Leichen am Brandherd gefunden worden waren und sie offensichtlich als tot galt.
    »Er kauft der Stadt Grundstücke ab, die niemandem mehr gehören, weil die Besitzer ohne Nachkommen verstorben sind«, unterbrach die Schwarze Liss Hannahs Gedanken. Sie hatte einen Pfeil abgeschossen, der Hannah zutiefst verwundete. »Deshalb die drei Toten im Haus. Dich gibt es nicht mehr. Dich, deinen Mann und deine Tochter. Alle verbrannt. Alle hinweggerafft, ohne dass sie ein Testament hinterlassen hätten.«
    Hannah starrte auf den Mann mit dem Federhut hinunter.
    »Aigen!«, dachte sie noch, als sie von der Schwarzen Liss weggezogen wurde.
    »Verschwinden wir, bevor sie uns doch noch aufspüren.« Sie nickte in die andere Richtung, aus der jetzt die schweren Tritte von Stiefeln zu hören waren.
    Hannah bemerkte noch, dass der dritte Mann, der mit den roten Haaren, verschwunden war. Hatte er sie gesehen?
    Ein Poltern vor ihnen schreckte sie auf. Jemand war gestolpert. Ein unterdrückter Fluch folgte. Es war keine Patrouille, die da den Wehrgang entlangkam. Die beiden Männer unten schienen die Schritte oben ebenfalls zu hören und zogen sich in einen Winkel des Hauses zurück, der von oben nicht einsehbar war.
    Hannah und die Schwarze Liss huschten zum Abgang und kletterten, so schnell sie konnten, nach unten. Von unten konnte Hannah erkennen, wie der unheimliche bärenhafte Mann von der anderen Seite her auf dem Wehrgang erschien und um sich blickte. Sie erschauerte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Kerl nicht gestolpert wäre!

7
    D ie Dunkelheit schlich sich in die Winkel der Stadt wie eine Katze, geräuschlos und mit einem samtenen Schimmer im Fell. Lichter flammten hier und dort auf wie die grün schillernden Augen eines Tieres.
    Hannah hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wo sie schlafen sollte. Sie war der Schwarzen Liss hinterhergelaufen wie betäubt, die Arme vor der Brust verschränkt, weil sie mit Magenschmerzen kämpfte, seit sie die Nachricht von den drei Leichen erhalten hatte. Erst als

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