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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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unterschlüpfen.
    Hannah erhob sich, als sie von der Treppe her die Schwarze Liss winken sah.
    »Der frühe Vogel fängt den Wurm!«, rief diese. »Es ist besser, wir verschwinden, solange der Dürre Karl noch nicht auf ist.«
    »Der Dürre Karl?«, fragte Hannah.
    »Der Kerl von gestern Abend. Er betreibt diese Schlafstätte. Tagsüber ist es ein Rotes Haus für die Handwerker. Manchmal braucht er ein paar Frauen dafür. Dann darf man eine Woche lang kostenlos hier wohnen.«
    »Ein Rotes Haus? Du meinst ein Haus für ...« Hannah raffte sofort ihren Rock, um hinter der Schwarzen Liss die Treppe hinabzusteigen. Erst jetzt erkannte sie, dass diese nur aus in derMauer steckenden Holzbohlen bestand. Ohne Geländer. Eng an die Mauer gedrückt lief sie hinter der Schwarzen Liss her. Sie gingen durch den Raum und waren schon am Tor, als sie angesprochen wurden.
    »Wohin so eilig, meine Täubchen?« Der Kerl war mindestens sechs Fuß groß, ging leicht vornübergebeugt, so als könnte das Rückgrat ihn kaum tragen, und drückte mit Händen, die mindestens doppelt so groß waren wie die eines gewöhnlichen Menschen, gegen die Tür. Er hielt den Kopf leicht schräg und musterte Hannah. Er hatte nur ein Auge; das andere fehlte ihm offenbar, denn irgendjemand hatte ihm das Lid mit groben Stichen über der leeren Höhle zugenäht.
    »Wen hast du mir denn da mitgebracht, Liss? Sieht aus, als wäre sie in einen Sudtopf gefallen und gesotten worden.«
    »Lass sie in Ruhe, Karl!«, zischte die Schwarze Liss.
    »Aber ich will doch nichts von ihr«, grinste der Dürre Karl sie an. Dabei fasste er Hannah mit einer seiner riesigen Hände unter das Kinn, und ehe sie sichs versah, tastete er mit der anderen über ihre Brüste.
    Sie zuckte zurück, und der Kerl lachte. » Noch nichts!« Doch plötzlich wurde er ernst. »Du schuldest mir Geld, Liss. Und nicht nur mir. Der Rote war gestern Vormittag da. Er hat gesagt, du hättest ihm seinen Anteil nicht abgeliefert. Er würde sich aber holen, was ihm zusteht.«
    Die ganze Zeit über hatte er die Schwarze Liss nicht ein einziges Mal angesehen, sondern den Blick unverwandt auf Hannah gerichtet und sie mit Blicken verschlungen. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie nackt.
    In Hannahs Kopf pochte es schmerzhaft. Sie vermochte nur gepresst zu atmen und war bereit, sofort zu kratzen und zu beißen, wenn dieser riesige Kerl sie noch einmal anfassen würde. Doch der Dürre Karl schien ihre Angst zu spüren. Er beugte sichvor, zeigte ihr beim Lachen seine Zahnlücken und starrte sie mit seinem einen Auge gierig an. »Keine Angst, meine Schöne, wir kommen schon noch zusammen. Wenn nicht jetzt, dann eben später.« Er lachte unmäßig, als habe er einen besonders guten Scherz gemacht.
    Hannah drehte das Gesicht weg. Sie wollte ihn nicht ansehen, sie wollte seinen stinkenden Atem nicht riechen, sie wollte nur weg, weg, weg.
    »Ja, geht nur arbeiten, meine Täubchen. Heute Abend wird der Rote da sein. Der will das Geld.« Die letzten Sätze säuselte der Dürre Karl und wollte Hannah am Hals kraulen. Doch die fuhr ihm blitzschnell mit ihren scharfen Fingernägeln über den Handrücken und kratzte ihn blutig. Der Kerl zog verblüfft die Hand zurück und besah sich die roten Striemen, die sich über die Hand zogen. »Oho, das nenn ich Temperament.«
    Mit einer Verbeugung öffnete er die Tür, als hätte er verstanden, was sie ihm mit ihrer Gegenwehr sagen wollte.
    Im Vorbeigehen flüsterte er ihr zu: »Ich erwarte dich, Täubchen!«
    Das Tor des Fledermausturms schloss sich hinter den beiden Frauen. Hannah hörte den Dürren Karl pfeifen, während sie über die schmalen Tritte der Hennastäpfala zum Kloster bei Sankt Stephan hochliefen.
    Hannah bemerkte, wie die Stadtarme mit den Händen über die feuchte Mauer strich und dann den Schmutz in ihrem Gesicht verteilte. Mit einem Rockzipfel wischte sie sich den Dreck dann wieder aus dem Gesicht, aber in den Poren und Falten blieb etwas davon haften. Sie sah aus, als wäre sie um zehn Jahre gealtert.
    Sie nickte Hannah zu, es ihr gleichzutun, und Hannah beschmierte sich ebenfalls mit dem feuchten Ziegelstaub.
    »Beim Betteln darfst du nicht schön sein, sondern musst Mitleid erregen«, brummte die Schwarze Liss, die Hannah kritisch musterte. Dann nickte sie und ging wortlos weiter. Hannah stapfte ihr nach.
    Lange sagte die Schwarze Liss nichts, dann aber, in einem kleinen Verbindungsgang zwischen zwei Häuserzeilen blieb sie stehen, drehte sich zu Hannah und

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