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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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aus?«
    »Hör zu, Röttel, oder wie du sonst heißen magst. Was ich jetzt sage, hat mich an den Pranger gebracht und mich zur Sau gemacht. Solltest du es weitererzählen, wirst du mich kennenlernen. Und zwar auf eine Art und Weise, wie du es nicht für möglich hältst.« Die Drohung war so beiläufig ausgesprochen, als handelte es sich um eine Einladung zum Essen.
    »Die Leiche der Frau war kaum verbrannt, so als hätte sie dort nicht von Anfang an gelegen. Für die Mutter war sie zu jung. Es könnte also das Mädchen gewesen sein. Sie war sehr jung. Sehr, sehr jung.«
    »Vierzehn. Die Apothekertochter war vierzehn«, sagte Hannah tonlos.
    Die Luderin zuckte mit den Schultern. »Man hat sie nachträglich ins Feuer geworfen, so viel steht fest.«
    Mit aufgerissenen Augen sah Hannah die Luderin an.
    Die Luderin hob eine Augenbraue. »Na, verstehst du? Drei Bewohner ...«
    Hannah nickte und wusste nun, was sie zuvor nur geahnt hatte. »... drei Leichen. Es fehlte die Apothekerin.«
    »Oder sonst jemand. Ich habe dem Stadtpfleger gegenüber erwähnt, dass mit den Toten insgesamt, aber mit dieser Toten im Besonderen etwas nicht stimmt. Er war mit einem Patrizier da, mit Aigen, um den Platz zu besichtigen. Aigen gehört das Haus nebenan. Er wollte seinen eigenen Schaden besehen und hat sofort Interesse an dem Grundstück geäußert, weil ... nun ja, wenn keine direkten Verwandten da sind, dann fällt das Grundstück an die Stadt. Und die einzige Tochter des Apothekers lag ja ... im Feuer. Wegen meiner Frage, ob sich der Stadtpfleger und der Herr Aigen die Toten schon einmal angesehen hätten, hat er mich an den Pranger stellen lassen. Weil ich ihm nicht Ehre genug erwiesen hätte. Weil ich ihn beleidigt hätte. Pah! Der Hurenbock.«
    Hannahs Kiefer mahlten, als würde sie ununterbrochen Essen zerkauen, dabei sammelte sich in ihrem Mund nur bitterer Speichel. Die stickige Luft, der Dampf, der sich zwar langsam verzog, der aber schwer auf den Lungen lag, die Bilder, die sich in ihrem Kopf sammelten, all das begann sich zu drehen und zu einem einzigen Knäuel zu verwirren.
    »Ich ... Danke«, stammelte Hannah und erhob sich. »Ich muss raus.« In Hannah Kopf überschlugen sich die Gedanken. Das Mädchen, das dort gelegen hatte. Wenn es nun nicht Gera gewesen war? Der Zweifel schmerzte wie ein Dorn, der sich in die Haut gebohrt hatte. »Ich muss gehen.«
    Die Luderin nickte und schlug mit dem Messer, das sie zum Käseschneiden in der Hand hielt, auf das Brett. Sofort erschienen zwei der Frauen von eben.
    »Bringt sie raus und gebt ihr Brot und Käse mit«, befahl sie.
    Als Hannah an ihr vorüberging, hielt die Luderin sie am Arm fest. Die Feuchtigkeit ihrer Finger drang durch den Stoff ihres Ärmels.
    »Sei vorsichtig! Ich weiß nicht, was du denkst, aber mich haben sie nur einer Frage wegen an den Pranger gestellt und zur Sau gemacht. Ich weiß nicht, was sie mit dir machen werden, wenn sie erfahren ...« Sie löste den Griff um Hannahs Arm. »Hier, nimm das. Du musst dir selber helfen, sonst tut es keiner.« Sie hielt ihr das Käsemesser hin, eine dünne, mit einem speckigen Holzgriff versehene Klinge, und steckte es in ein Lederfutteral, an dem zwei Lederriemen hingen. »Versteck es im Ärmel. Bind es dir um den Unterarm und behalt es immer am Körper. Immer, verstehst du!« Die Luderin packte Hannah wieder am Arm, und eine der Frauen band ihr das Futteral so an den linken Unterarm, dass sie mit der rechten Hand das Messer herausziehen konnte.
    Schließlich riss Hannah sich los. Sie wollte nichts mehr hören, kein Mitleid, keine Ratschläge. Wie in einem Nebel aus Bildern und Sätzen, aus Geräuschen und Wörtern ging sie hinaus – und stand, ehe sie sichs versah, vor der Tür des Hauses. Wo sollte sie hin? Wo fand sie einen Augenblick der Ruhe, den sie brauchte, um die Gedankensplitter zu ordnen und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
    Aigen besaß das Grundstück nebenan. Das hatte sie nicht gewusst. Deshalb war er so schnell dort gewesen. Vor ihrem inneren Auge loderte wieder das Feuer und zeigte ihr dunkel die Umrisse des Patriziers gegen den Brandherd.
    Wie von selbst führten ihre Beine sie zum Fledermausturm zurück.
    Sie fühlte nichts, keine Kälte, keinen Hunger, nicht einmal Schmerzen. Erstaunt nahm sie wahr, dass sie ein an den Zipfeln zusammengeschnürtes Tuch in der Hand hielt. Natürlich,Brot und Käse. Doch sie konnte jetzt nichts essen. So trottete sie auf den Turm zu und wollte sich dort

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