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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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stand da, beschämt, wie klar die Bettlerin gespürt hatte, was in ihrem Kopf vorgegangen war.
    »Was hältst du davon?«, setzte die Liss hinzu und deutete mit dem Stock auf das Ding vor ihr.
    Erst jetzt schaute Hannah genauer hin – und sie wich entsetzt zurück. Noch bevor sie ein Wort hervorbrachte, erbrach sie sich ins Gebüsch. Sie würgte halb verdautes Brot und kaum verdauten Käse hervor, bis nur noch grünliche Galle kam.
    Die Schwarze Liss stocherte indessen mit dem Stock an dem Kadaver vor ihnen herum. Unzählige grünlich schillernde Schmeißfliegen erhoben sich böse summend und gaben den Blick auf einen wirren blonden Haarschopf und auf die beinahe durchsichtig schimmernden Beine eines Mädchenkörpers frei.
    Hannah konnte den Blick nicht lösen von diesen dünnen Beinen, obwohl Ekel und Entsetzen ihr die Kehle zuschnürten. Der Körper war in ein dünnes grünes Rupfenkleid ohne Saum gehüllt. Darunter war er offenbar völlig nackt. Hannah erkannte das Kleid wieder. Sie hatte es sofort erkannt.
    »Es ist die Kleine«, sagte die Schwarze Liss. »Es ist die Kleine aus der Kirche.«
    Hannah spürte, was die Bettlerin nicht aussprechen wollte, was unausgesprochen in der Luft hing, als würden die Schmeißfliegen es in den Wind summen.
    »Jemand hat sie umgebracht und hier abgelegt«, sagte Hannah und wischte sich den Mund ab. Ihr Speichel war vermischt mit der bitteren Galle. Sie musste ausspucken vor Widerwillen und Abscheu. »Schlimmer als die Tiere«, stieß sie hervor.
    »Viel schlimmer«, sagte die Schwarze Liss. Mit ihrem Stock schob sie das Kleid beiseite. Auf der schon bläulich verfärbtenHaut konnte man blutige Striemen erkennen. »Sie haben ihr Spiel mit der Kleinen getrieben.«
    »Wer tut so etwas?«, fragte Hannah, und erst jetzt hob die Schwarze Liss den Kopf. Sie deutete den Hang hinauf zur Stadt.
    »Die sogenannte bessere Gesellschaft. Die Patrizier, die Stadtpfleger, die Pfaffen, und wer sonst noch alles zu viel Geld und zu wenig Not hat. Sie alle wissen nicht mehr, was es heißt, zu leben. Sie müssen sich ihren Nervenkitzel eben durch solche Spiele verschaffen.« Mit dem Schwung ihres Stockes bedeckte die Schwarze Liss den Körper wieder. »Niemand hätte das Mädchen hier gefunden, wenn wir nicht zufällig drübergestolpert wären.« Sie schüttelte immer wieder den Kopf, als könne sie das Schreckliche daran nicht begreifen. »Lass uns gehen. Wir können dem Mädchen ohnehin nicht mehr helfen.«
    Hannah nickte. In ihrem Kopf stand das Bild des schlurfenden Alten, der das Mädchen aus der Kapelle geholt hatte. Sie hätte eingreifen müssen, sofort eingreifen müssen, wie sie es vorgehabt hatte, aber sie hatte es nicht getan. Man durfte nicht warten. Man musste handeln, wenn man Schlimmeres verhindern wollte. Unverzüglich handeln.

Z WEITER T EIL
    Ende Juni des Jahres 1300
    Aufstieg

1
    W ir können uns nicht länger hier verkriechen!«, verkündete Hannah.
    »Ich habe befürchtet, dass du das irgendwann sagst.« Die Schwarze Liss seufzte und drückte sich tiefer in den Waschzuber. Hannah hörte ihr wohliges Seufzen.
    Sie stand vor der Hütte der Witwe Hutter und blickte zur Stadtmauer hinüber, in deren Schatten sich das Fischerdorf duckte. Die rötliche Ziegelwand wirkte in der frühsommerlichen Hitze spröde und ausgedörrt.
    »Vier Wochen sind genug.«
    Sie hatten ihre Wunden geleckt, hatten über ihren Fund nachgedacht und Pläne für die Zukunft geschmiedet.
    Die Schwarze Liss hockte mit angezogenen Beinen im Zuber, und Hannah goss ihr sonnenwarmes Wasser über die verfilzten Haare.
    »Sag mal, Liss – was ich dich immer fragen wollte: Was ist eigentlich mit deinem Oberschenkel passiert? Ich dachte immer ... nun ja ... weil du einen Stock brauchst.«
    Hannah hatte im Lauf der Zeit bemerkt, dass Liss’ Hinken nicht von einer verwachsenen Hüfte herrührte, sondern von einem schief zusammengewachsenen Knochen. Der bildete eine Art Knolle, die der Bettlerin aus dem Oberschenkel wuchs.
    Hannah nahm die Seife und begann der Schwarzen Liss den Rücken damit abzureiben.
    Sie hatte bei ihrem Mann gelernt, wie man Seife herstellte –und weil sie ohnehin länger in der Fischersiedlung bleiben mussten, hatte sie begonnen, aus Holzasche und Regenwasser eine Lauge herzustellen, die sie mit dem Fett der Schafe vermischt und eingekocht hatte. Dann hatte sie der staunenden Liss erklärt, dass der Brühe noch ein Prise Salz beigemischt werden müsse, und von einem alten Lavendelbüschel

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