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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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geschweige denn zu begreifen, was soeben geschehen war.
    Die Schwarze Liss flüsterte: »Du hast ihn einfach abgestochen. Einfach so.«
    Hannah schluckte. »Er hatte die Brosche meiner Mutter ...«, begann sie, aber die Bettlerin winkte ab.
    »Er hat es verdient. Los komm. Er hat uns Arbeit erspart und die Kassette aufgebrochen. Sammle das Geld ein und den Schmuck. Und dann nichts wie weg hier. Wenn uns jemand sieht, enden wir auf dem Rad.«
    In fliegender Hast sammelte die Schwarze Liss die Münzen auf, während Hannah wie betäubt dastand und nicht wusste, ob sie heulen oder triumphieren sollte. Sie hatte sich gerächt. Das war der eine Gedanke. Und der lag im Widerstreit mit dem anderen, gewichtigeren: Du hast ihn getötet! Auch wenn er noch lebte, es war nur mehr eine Frage der Zeit. Kaum jemand überlebte solch eine Verwundung.
    Schließlich bückte sie sich nach der Brosche ihrer Mutter, die der Rote noch immer in der Hand hielt. Sie zögerte, die Finger des Mannes aufzubiegen und sie an sich zu nehmen. Aber der Mann war nicht mehr bei Bewusstsein – vielleicht sogar schon tot. Doch schließlich siegte ihre Wut über diesen grausamen Kerl, diesen Frauenschänder, diesen Dieb. Der Rote wehrte sich nicht. Sie spürte nur ein Zittern in seinen Fingern, und schüttelte sich vor Ekel.
    Kaum hielt sie die Brosche in der Hand, trat die Schwarze Liss auf sie zu. »Hilf mir. Wir müssen ihn umdrehen und unter ihm nach Geld suchen. Er rührt sich eh nicht mehr.«
    Hannah holte tief Luft. »Nein«, hauchte sie. Allein das Aufbiegen der Finger, um die Brosche an sich zu nehmen, hatte all ihre Kräfte verbraucht.
    Die Bettlerin stieß sie an. »Jetzt hör mir zu, Röttel. Bislang ist es eine bloße Auseinandersetzung zwischen Bettlern. Kaum der Rede wert. Selbst wenn er es nicht überlebt, sind die Stadtschergen froh, dass sich das Gesindel gegenseitig aus dem Weg räumt, das spart der Stadt Kosten. Wenn sie aber unter seiner Leiche Geld finden, dann ist es Raub. Dann werden sie nach uns suchen. Und der Wachtposten von vorhin hat uns gesehen. Wenn er dich vielleicht auch nicht kennt. Mich kennt er sicher. Willst du sie hinter mir herschicken?«
    In Hannahs Ohren klang die kleine Rede der Schwarzen Liss wie Hohn. Doch sie wollte die Bettlerin nicht in Schwierigkeiten bringen. Unter Schmerzen half sie der Schwarzen Liss, den Körper des Roten auf den Rücken zu drehen. Der Rote stöhnte leise. Er öffnete die Augen. Seine Lider flatterten. Die Liss hob das Messer auf, das noch neben ihm lag, wischte es vorsorglich an dessen Kleidung ab und gab es Hannah. »Sauber machen kannst du es später.«
    Tatsächlich lagen noch drei Silbermünzen unter seinemKörper. Hannah nahm sie rasch an sich – und zuletzt zog die Schwarze Liss die Marke des Stadtarmen von der Brust des Mannes.
    Der Rote hatte die Augen wieder geschlossen. Er versuchte die Hand zu heben, nach der Liss zu packen, doch die schlug seine Hand einfach weg.
    »Jetzt können wir ihn liegen lassen. Gott sei seiner Seele gnädig.«
    Die beiden Frauen erhoben sich und machten sich, so schnell es ihnen möglich war, auf in Richtung Fischertor.
    Hannah fühlte sich, als wäre sie geklopft worden wie nasse Kochwäsche.
    Die Schwarze Liss stützte Hannah. Als sie am Fischertor angelangt waren, sagte sie: »Wir müssen uns erholen. Du musst dich erholen. Du siehst aus, als hätte man dich durchgewalkt.«
    Die Schwarze Liss wirkte frisch und tatkräftig. Hannah dagegen war wie willenlos. Doch die Zuversicht, die von der Bettlerin ausging, übertrug sich auf sie.
    »Was sollen wir tun?«
    »Drüben in der Fischervorstadt«, die Bettlerin zeigte auf das geschlossene Tor, hinter dem der Ort jenseits des Grabens lag, »gibt es eine Frau, die uns aufnehmen wird. Wir müssen nur hinüberkommen.«
    Hannah nickte nur müde. Also ins Fischerviertel. Doch wie man dort hinübergelangte, das wusste sie nicht. Vor wenigen Jahren war die Brücke über den Graben wegen Baufälligkeit abgerissen worden. Eine neue hatte man noch nicht gebaut.
    »Wie willst du hinauskommen?«, fragte sie matt; allmählich schien ihr die Kraft aus dem Körper zu sickern.
    Die Schwarze Liss lachte leise. »Ganz einfach. Sie hob die Bettelmarke hoch. »Sie ist mehr wert als Gold. Pass auf.«
    Die Schwarze Liss nahm Hannah an der Hand. Die ließ sicheinfach mitziehen. Sie schritten durch das Tor, das keine Bewachung hatte, und liefen an dem Wall vor der Mauer entlang. Immer wieder fielen Hannah beim Gehen die

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