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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Hexengeschichten gern um. Solange der Bischof noch nichts davon gehört hat, bist du sicher. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich das alles zu einem Sturm gegen dich auswächst.«
    Hannah betrachtete die Frau vor sich. Deren bunte Kleidung und das stark mit Kohle und Ocker gefärbte Gesicht machten sie aufdringlich. Ihre Augenfarbe schien sich langsam einzudunkeln, so als würde ein Wolkenschatten über das Wiesengrün der Iris ziehen. Doch sie schien ehrlich in Sorge zu sein, sonst hätte sie ihr gedroht. Die Macht dazu hatte sie sicherlich.
    »Lass diesen Turm Turm sein. Er bietet dir keinen Schutz«, fuhr die Luderin fort. »Aber ich will dich nicht drängen. Du behandelst auch meine Mädchen. Dafür möchte ich mich erkenntlich zeigen. Solltest du Schutz brauchen – mein Haus steht dir immer offen!«
    »Du musst dich nicht bedanken, Luderin.«
    Jetzt lächelte die kräftige Frau zum ersten Mal, seit sie in den Turm gekommen war. Sie reichte Hannah über den Tisch hinweg die Hand. »Ich weiß, Röttel.« Sie machte eine Pause, als müsse sie sich überwinden, dann sagte sie: »Wenn du Zuflucht suchst. Das Haus neben dem unseren steht leer. Es gehörte einem Handwerker, der erst unlängst bei der Wache betrunken die Zinnen hinabgestürzt ist. Ich habe es gekauft. Du musst dich nicht gleich entscheiden.«
    Die Luderin stand auf und schickte sich an zu gehen. Hannah, die sich ebenfalls erhoben hatte, blickte ihr nach. Bevor sie ging, drehte die Luderin sich noch einmal um. »Fast hätte ich es vergessen. Letztens war ein Mönch bei einer meiner Frauen. Er hat etwas gefaselt von einem kopierten Dokument für ein Brandgrundstück.«
    Sofort war Hannah hellwach. »Wer ist es? Ich muss ihn sofort sprechen. Viele Brandgrundstücke hat es in den letzten Monaten sicher nicht gegeben.«
    Die Luderin nickte. »Komm nächsten Mittwoch bei uns vorbei. Vormittags. Da besucht er Celante, eines meiner Mädchen. Regelmäßig.«
    Die Luderin ging die Treppe hinab. Sie atmete schwer und lief nicht mehr so leichtfüßig wie noch vor einigen Wochen. Hannah wunderte sich, doch sie maß diesem Umstand keine große Bedeutung bei.
    Den Frauen, die sich jetzt in den ersten Stock heraufwagten, trug sie auf, die Kranken heraufzubringen, und bat um heißes Wasser und frische Tücher. Dann stellte sie die Salben bereit, die sie gemischt hatte. Es war alles herzlich wenig, aber mehr gab es im Augenblick nicht. Sie würde so bald wie möglich selbst sammeln müssen.
    »Du bist keine Hexe, Röttel«, hörte sie jemanden im Hintergrund sagen.
    Hannah drehte sich um. Sie hatten einen Bereich des ersten Turmstockwerks abgeteilt. Dahinter lagen bettlägerige Frauen. Im Augenblick war da allerdings nur Nelda.
    »Du bist wach, Nelda?« Hannah war erleichtert, weil sie schon befürchtet hatte, das Mädchen würde nicht wieder aufwachen.
    »Ich habe alles gehört. Entschuldige«, sagte sie mit schwacher Stimme.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe nichts zu verbergen.« Hannah trat hinter den Vorhang aus bräunlichem Barchentlaken. Nelda lag da, blass und dünn. Sie war nur noch der Schatten einer Frau.
    Wenn man als Hexe bezichtigt wurde, nur weil man jemandem helfen wollte, war das mehr als nur eine Ungerechtigkeit. Es war ein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe. In diesem Augenblick traf Hannah eine doppelte Entscheidung. Sie musste die Frauen anführen, und sie würde demjenigen das Handwerk legen, der solche Gerüchte über sie verbreitete.

6
    N elda strahlte über das ganze Gesicht, als sie auf Hannah zulief. Die Entzündung an ihrem linken Bein war zurückgegangen. Die Wunde hatte sich geschlossen. Sie humpelte zwar noch, aber sie würde ihr Bein behalten können. Sie fiel Hannah um den Hals und presste sie an sich, bis diese sich wehren musste.
    »Nelda, du drückst mir die Luft ab. Lebend nütze ich dir mehr«, protestierte Hannah lachend.
    »Ich ... ich ..., stotterte Nelda. »Ich bin dir so unendlich dankbar.«
    »Sag nichts und hilf mir lieber.« Hannah lächelte sie an. Sie kämpfte selbst mit den Tränen. Lange Zeit hatte es nicht so ausgesehen, als könnte sie Neldas Bein retten. Doch die Natur der jungen Frau war robust. Sie und das Wissen, dass der Rote tot war, hatten Nelda aufgeholfen.
    »Jetzt muss ich mich nicht mehr so um dich kümmern. Du bist schon fast gesund. Andere Frauen warten darauf, dass sie ein wenig Linderung erhalten. Bring Kerzen und einen Leuchter. Ich brauche Licht.«
    Hannah

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